124. Deutscher Ärztetag: Corona-Pandemie, (Muster-)Weiterbildungsordnung und Sterbehilfe im Fokus

Die Lehren aus der Corona-Pandemie standen im Mittelpunkt des 124. Deutschen Ärztetages am 4. und 5. Mai 2021. Nach der Eröffnung mit einem Grußwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel und unter Beteiligung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn widmeten sich die Abgeordneten in den Plenumssitzungen aktuellen gesundheits- und berufspolitischen Themen. Angesichts der aktuellen Corona-Lage hatte sich der Vorstand der Bundesärztekammer entschieden, den Ärztetag in einem zweitägigen Online-Format durchzuführen.

Zu den wichtigsten Entscheidungen des 124. DÄT gehörte die Forderung nach konkreten Konsequenzen aus dem Umgang mit der Corona-Pandemie. Das Pandemie-Management in Deutschland müsse dringend optimiert werden, konstatierten die Abgeordneten in einem mit großer Mehrheit gefassten Beschluss. Unter anderem sollten im Infektionsschutzgesetz feste Krisenstäbe der Bundesländer unter Einbezug der Landesärztekammern angelegt und die Pandemiepläne von Bund, Ländern, Kommunen und Gesundheitseinrichtungen ständig auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Der Ärztetag hat sich daneben in seinem Grundsatzbeschluss mit dem dringend notwendigen, strukturellen Reformbedarf im Gesundheitswesen befasst. Dazu zählen die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Neuregelung der Krankenhausplanung und -finanzierung, die Sicherung ambulanter Versorgungsstrukturen, der Ausbau der Digitalisierung sowie weitere Anstrengungen zur Fachkräftegewinnung im Gesundheitswesen.

In Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid hat der Ärztetag die berufsrechtlichen Regelungen für Ärztinnen und Ärzte zur Suizidhilfe geändert. § 16 Satz 3 der (Muster-)Berufsordnung wird aufgehoben. Darin hieß es bislang: „Sie [Ärztinnen und Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Es entspreche ganz überwiegender Auffassung, dass § 16 Satz 3 der (Muster-)Berufsordnung in seiner bisherigen Fassung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten werden könne“, begründete das Ärzteparlament seine Entscheidung. Die Streichung ändert nach Überzeugung des Ärztetages aber nichts daran, dass „ärztliches Handeln von einer lebens- und gesundheitsorientierten Zielrichtung geprägt ist“. Nach § 1 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung ist es Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken. Mithin zählt es nicht zu dem Aufgabenspektrum der Ärzteschaft, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Dies betonte der Ärztetag auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte im Deutschen Bundestag über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe. Es könne niemals Aufgabe der Ärzteschaft sein, für Nichterkrankte eine Indikation, Beratung oder gar Durchführung eines Sterbewunsches zu vollziehen.

Mit großer Mehrheit wurde die Streichung von Sanktionen für Ärztinnen und Ärzte gefordert, die mit Fristen bei der Einführung digitaler Anwendungen verbunden sind. Digitale Anwendungen können die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten unterstützen. Das vom Gesetzgeber vorgelegte Tempo berge jedoch die Gefahr, dass dadurch „notwendige Testungen zur Praktikabilität wie auch zur Patientensicherheit unterbleiben“, betonten die Abgeordneten. Begrüßt wurde die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, in bestimmten Fällen von Sanktionen abzusehen: „Da, wo es objektiv nicht geleistet werden kann, soll es auch keine Sanktionen geben.“

Gefordert wurde zudem ein Gesamtkonzept für die Reform der Notfallversorgung. Der Gesetzgeber habe bisher dringend erforderliche gesetzliche Neuregelungen versäumt. Als „Stückwerk“ bezeichnete das Ärzteparlament die Pläne des Gesetzgebers, statt einer umfänglichen Reform der Notfallversorgung zunächst eine zusätzliche verpflichtende, standardisierte Ersteinschätzung einzuführen.

Der 124. Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung und den Bundesrat außerdem aufgefordert, die Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung schnellstmöglich zu beschließen. An dem Referentenentwurf bestehe zwar Nachbesserungsbedarf, die Novelle sei dennoch ein „wegweisender Entwicklungsschritt“ für die ärztliche Ausbildung. Bund und Länder müssten nun zügig ein Finanzierungskonzept für die Reform vorlegen. Sparmaßnahmen dürften nicht zu Lasten der medizinischen Ausbildung beziehungsweise des ärztlichen Nachwuchses gehen.

Zwei Drittel der Landesärztekammern haben die (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) von 2018 bislang in das jeweilige Landesrecht umgesetzt. Basierend darauf hat der 124. Deutsche Ärztetag verschiedene Änderungen diskutiert und mehrheitlich beschlossen. Dazu gehört unter anderem die Aufnahme der „Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit“ in die Allgemeinen Inhalte der Weiterbildung. Neu eingeführt wurde die Facharztweiterbildung „Innere Medizin und Infektiologie“ als vertiefende klinische Facharztkompetenz im Gebiet Innere Medizin. Ein Kernstück der MWBO ist das eLogbuch. Es soll Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung dabei unterstützen, Weiterbildungen digital und kontinuierlich zu dokumentieren.

Eine Übersicht über das gesamte Antragsgeschehen bietet die Seite der Bundesärztekammer.

Auch von Delegierten aus den Reihen des Hartmannbundes eingebrachte Anträge fanden die Zustimmung der Delegierten. Die Abstimmungsergebnisse finden Sie HIER.

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