Digitalisierung der Medizin als Chance begreifen – Fernbehandlungsverbot lockern!

Die Digitalisierung prägt die Medizin. Das heutige Gesundheitssystem wird sich dadurch grundlegend verändern, so dass jede Patientin und jeder Patient von gezielteren Diagnosen und individuelleren Behandlungen profitieren wird. Der Umfang an gesundheitsrelevanten Daten wächst kontinuierlich an: Medizinische Daten, wie etwa Anamnese, Blutwerte oder Befunde werden in Arztpraxen direkt in Computersystemen erfasst. Komplette Genome, etwa die von bösartigen Tumoren, werden schon fast routinemäßig in der biomedizinischen Forschung sequenziert und ebenfalls elektronisch gespeichert und verarbeitet. Immer mehr Menschen nutzen Gesundheits-Apps, wearables und in Zukunft vielleicht implantierte Biosensoren, um Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder den Puls kontinuierlich messen zu können.Die intelligente Verknüpfung dieser gewaltigen Datenmengen durch immer leistungsfähigere IT-Systeme birgt die Chance, ein ganzheitliches Bild der Gesundheit jedes einzelnen Menschen zu zeichnen.

Die zunehmende Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens verändert die Anforderungen an eine moderne Gesundheitsversorgung und bietet zugleich Chancen für ein effizienteres Gesundheitssystem. Zukünftig wird es durch die Vernetzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten immer öfters möglich sein, bessere Diagnoseverfahren und für den Menschen maßgeschneiderte Therapien zu konzipieren. Telemedizinische Anwendungen ermöglichen eine raschere Versorgung von Menschen in ländlichen Regionen. Die gesammelten Daten sind eine der wichtigsten Ressourcen für die zukünftige Gesundheitsforschung und -versorgung. Gerade aber bei sensiblen Gesundheitsdaten müssen dabei auch grundlegende Aspekte des Datenschutzes berücksichtigt werden.

Ärztinnen und Ärzte müssen in der Weiterentwicklung von E-Health-Anwendungen die Federführung übernehmen, da nur so die Kernelemente des Arzt-Patienten-Verhältnisses einfließen werden. Der Hartmannbund Landesverband Bayern fordert dazu auf, einerseits das Augenmerk auf die Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten und andererseits die Optimierung von Arbeitsprozessen von Ärztinnen und Ärzten zu legen. Weitere Aspekte sind die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, Prävention, Forschung und Lehre als auch administrativer Prozesse. Bei sich wandelnden Arbeitsabläufen und Arbeitszeitvarianten müssen Modelle entstehen, die eine sichere Informationsbasis über den aktuellen Stand der Diagnostik und Therapie der Patienten garantieren. Noch dominiert zwar der klassische Acht-Stunden-Tag – Schichtmodelle, Job- und Desksharing, Heimarbeit mit digitaler Vernetzung und andere Arbeitsformen entwickeln sich jedoch rasant. Eine 39 arztgeführte sektorenübergreifende elektronische Fallakte kann hier Übergabeprobleme lösen und eine sichere Vernetzung aller am Behandlungsprozess Beteiligten realisieren. Die Fallakte bietet in enger Abstimmung mit dem Patienten als Inhaber der Datenhoheit die Chance einer gezielteren Patientenversorgung.

Die Digitalisierung findet in allen Lebensbereichen statt und macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Die Ärzteschaft ist dazu gefordert, diese Entwicklung als Realität anzuerkennen. Dabei im Wesentlichen Akteur und nicht Reagierender zu sein, ist angesichts des Tempos der Entwicklung neuer technischer Anwendungsmöglichkeiten eine permanente Herausforderung. Greifen wir aus den unzähligen Entwicklungen am Markt die für die Versorgung tragfähigen Lösungen heraus und arbeiten wir mit unserem ärztlichen Wissen und Blickwinkel an deren Zertifizierung mit. Nutzen wir die Chancen speziell für eine bessere Versorgung in ländlichen Regionen.

Als besondere Herausforderungen bei der Weiterentwicklung von E-Health erweisen sich immer noch der Ausbau der Datennetze, der Telematik-Infrastruktur, die Implementierung entsprechender Hardware in Kliniken und Praxen, die Schaffung höchst möglicher Datensicherheit sowie die Zertifizierung sogenannter Gesundheits-Apps.

Ein weiterer entscheidender Faktor für E-Health ist der Datenschutz, die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die größtmögliche Sicherheit im Umgang mit hochsensiblen persönlichen Daten ist die Basis für das Vertrauen der Patienten in E-Health. Deshalb sind hier alle sinnvollen und technisch machbaren Möglichkeiten des Datenschutzes vorzusehen.

Immer noch ist in Deutschland eine ausschließliche ärztliche Beratung und Behandlung von Patientinnen und Patienten unter Einsatz von Print- und Kommunikationsmedien nicht erlaubt. Damit ist die ausschließliche Fernbehandlung nach § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) berufsrechtlich untersagt („Fernbehandlungsverbot“). Die Änderungen im Bereich der Fernbehandlung sind jedoch wichtig, um Telemedizin in Deutschland zu stärken. So könnten Diagnosen aus der Ferne etwa dabei helfen, auf dem Land trotz Ärztemangels eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Der Hartmannbund Landesverband Bayern unterstützt daher entsprechende Bestrebungen, die eine Lockerung des Fernbehandlungsverbotes vorsehen.