Drei erste Lehren für die Gesundheitsversorgung

COVID-19 setzt eine Zäsur. In der Bewältigung der Corona-Krise geraten Themen wie die schwarze Null, Effizienz und der ökonomische Wettbewerb in der Gesundheitsversorgung in den Hintergrund. Hierzu stellt der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes und Rathenower Allgemeinmediziner Dr. Hanjo Pohle fest: „Dieselben Politiker, die noch vor ein paar Wochen ein Gesetz zur Reduktion von Krankenhausbetten auf den Weg brachten und auch gleich 600 Krankenhäuser für entbehrlich hielten, feiern nun stolz und froh die hervorragende Aufstellung im Krankenhausbereich und preisen diese als den entscheidenden Unterschied zu unseren Nachbarländern.“ Eine erste Lektion, die hier zu ziehen sei: Betten, insbesondere Intensivbetten, sollten nicht in erster Linie als Kostenfaktor betrachtet werden, sondern als Faktor, der den Unterschied machen kann zwischen Leben und Tod.

Eine zweite lehrreiche Erfahrung: Nicht die Diktatur der Ökonomie und das Dogma der Beitragsstabilität würden laut Pohle die richtigen Antworten geben können. Es brauche eine neue Definition von gesellschaftlichen Primärbedürfnissen wie Gesundheit und Wohlergehen. Die Krise fokussiere auf elementare Entscheidungskonflikte in der Gesundheitsversorgung. Pohle weiter: „Gesundheit ist keine Handelsware und darf auch nicht wirtschaftlichen Kriterien geopfert werden! Die Gesellschaft muss entscheiden, wie viel ihr der einzelne Mensch wert ist. Dazu gehört auch, die Konsequenzen Bürgerinnen und Bürgern ehrlich klarzumachen und auch das Dogma der Beitragsstabilität auf den Prüfstand zu stellen.“ Der Brandenburger Hartmannbund bringe sich entsprechend schon seit längerem in diese gesellschaftliche Debatte über die Ökonomisierung der Medizin ein.

Der dritte und letzte Punkt sei das Thema Schutzausrüstung. „In den Kliniken und in der ambulanten Versorgung war Ende März so gut wie keine Schutzausrüstung mehr vorhanden. Die Produktion war schon lange aus Deutschland ausgelagert und eine ausreichende Bevorratung hatte trotz der bereits 2012 erfolgten dringenden Empfehlung im Pandemieplan des Robert Koch Instituts nicht stattgefunden. Dabei war auch aufgrund wissenschaftlicher Studien klar, dass uns irgendwann eine Pandemie treffen würde“, äußert sich Pohle. Die sich daraus ergebende Lehre: ein nationaler Pandemieplan sei nicht für die Schublade geschrieben, sondern müsse umgesetzt werden – und zwar rechtzeitig vor Eintreten des Pandemiefalls, wie im Dokument selbst auch gefordert. „Und wenn die Politik dies versäumt, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, Schutzausrüstung bereitzustellen. Sei es durch die Schaffung eigener Produktionsanlagen, wie es andere Bundesländer bereits vormachen. Oder als ultima ratio notfalls auch durch Beschlagnahmungen“, so Pohle abschließend.