Müller: Mit Entschuldigung und das wars ist es nicht getan

Angesichts der sich zunehmend entspannenden epidemiologischen Lage durch die weiter abebbenden Zahlen Coronavirus-Infizierter ist es für den Vorsitzenden des Thüringer Hartmannbundes Dr. Jörg Müller an der Zeit, über die gravierenden zu Tage getretenen gesundheitspolitischen Defizite sowie über Verantwortlichkeiten zu sprechen.

„Zu den schlimmsten Mängeln im Zusammenhang mit der Corona-Krise zählt erstens der nicht umgesetzte nationale Pandemieplan, in dem im Jahr 2012 bereits detailliert festgelegt wurde, dass benötigte Schutzmaterialien wie Atemschutzmasken etc. rechtzeitig bevorratet werden müssen“, so Müller. Ein weiteres großes Defizit sei der trotz wiederholter Warnrufe aus der Ärzteschaft unzulängliche Zustand des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Zwar begrüßte Müller, dass die Politik diese Probleme jetzt, wenn auch verspätet, angehe. Fraglich bleibe aus seiner Sicht aber die Ernsthaftigkeit der angedachten Lösungen, wenn etwa das Gesundheitsministerium deutsche Lieferungen mit der Begründung ablehne, dass gegenwärtig der Bezug von asiatischen Herstellern bevorzugt werde. „Hier schiene es mir klüger, die Bemühungen deutscher Anbieter zu honorieren – schließlich ist eine Lehre der aktuellen Geschehnisse doch, dass die Abhängigkeit bei strategisch wichtigen Medizingütern wie Schutzmaterial von unsicheren Importen aus Fernost reduziert werden muss“, meint Müller, der als Geraer Augenarzt selbst einschlägige Erfahrungen mit dem Thema gemacht hat.

Müller fährt fort: „Dass wir bisher überhaupt eher glimpflich davongekommen sind, liegt auch daran, dass die Pläne zur Schließung hunderter Kliniken bisher nicht durchgesetzt werden konnten. Dies aber nicht wegen, sondern eher trotz Herrn Spahn“.

Ein ganz eigenes Thema sei darüber hinaus die Gesamtperformance der politischen Entscheidungsträger in der Krise, die von der anfänglich behaupteten geringen Gefährdungslage in den Panikmodus umgeschaltet hätten und dabei oft irrational unter Bezug auf fragwürdige Annahmen handelten. Beispiele seien der behauptete exponentielle Anstieg der Fallzahlen, der offenbar vor allem auf der erheblichen Ausweitung von Tests beruhte. Oder die Lagebeurteilung primär durch virologische Vermutungen anstelle gesicherter Erkenntnisse über Krankheitsverläufe durch Obduktionen. „Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass eine Eindämmung der Coronavirus-Infektionen auch durch weniger restriktive Maßnahmen möglich ist, wie das alternative Vorgehen in Schweden verdeutlicht, wo die Zahl der Neuinfektionen ebenfalls zurückgeht“, fährt Müller fort.

„Gerade die Entscheidung über solch weitreichende Maßnahmen wie einen Shut- und Lockdown mit gravierenden Folgen für unser Land als Ganzes wie auch jeden einzelnen sollte von einem Höchstmaß an medizinischem Sachverstand getragen sein“ meint der Vorsitzende des Thüringer Hartmannbundes. Die Frage nach Alternativen zu den ergriffenen Maßnahmen stehe seit langem offen im Raum und werde sicher ausführlich analysiert werden. Neben der Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen werde dann auch über einen möglichen Schadenersatz für die Geschädigten zu reden sein. „Eine pauschale Exkulpierung der politischen Entscheidungsträger, wie vor kurzem gefordert, ist vor diesem Hintergrund geradezu absurd“, so Müller abschließend.