Müller: Steuerung über Zwang ist der falsche Weg

Die Fraktionen im Thüringer Landtag ringen zur Zeit um eine Lösung gegen den drohenden Ärztemangel auf dem Land. Die von der SPD-Fraktion ins Spiel gebrachte Landarztquote wird vom Vorsitzenden des Thüringer Hartmannbundes Dr. Jörg Müller kritisch gesehen. Stattdessen schlägt der Geraer Augenarzt vor, an anderen Stellschrauben zu drehen.

„Auf dem Papier liest sich eine Landarztquote erst einmal gut. Tatsächlich ist die Vergabe von Studienplätzen an Bewerbende, die sich verpflichten, nach ihrem Abschluss auf dem Land zu praktizieren, aber völlig lebensfern. Woher sollen Studierende denn schon heute wissen, in welchen Lebensumständen sie sich in 15 Jahren vorfinden?“, äußert sich Müller. Zudem widerspräche die hier zugrundeliegende Denkweise diametral dem Grundgedanken eines freien ärztlichen Berufs. Eine Quote mit einer Verpflichtung für die Zukunft sei daher der falsche Weg.

„Um dem Ärztemangel wirksam zu begegnen, ist es aus Sicht des Thüringer Hartmannbunds erforderlich, die Zahl der Studienplätze deutlich zu erhöhen. Nur so kann die seit Jahren rückläufige ärztliche Arbeitszeit kompensiert werden“, stellt Müller fest. Dabei spräche einiges für die Errichtung einer zusätzlichen Hochschule in Thüringen. „Die Erfahrung zeigt, dass Mediziner, die vor Ort ausgebildet werden, später auch leichter für die medizinische Versorgung in der Region zu gewinnen sind“, erklärt Müller. Diese Hochschule könne auch in privater Trägerschaft sein – dies hätte den Vorteil, dass die hierfür benötigten staatlichen Mittel überschaubar wären. „In Zeiten enger werdender haushaltspolitischer Spielräume ein nicht zu unterschätzender Vorteil“, so Müller weiter. Die Nachfrage von Studierenden, die bereit sind, die Kosten ihrer Ausbildung selbst zu tragen, sei da. Dies zeige beispielsweise die große Zahl deutscher Studenten an ausländischen Hochschulen.

Parallel zur Erhöhung der Studienplatzkapazitäten seien Maßnahmen ins Auge zu fassen, die die Attraktivität des Arztberufs steigern. Müller stellt klar: „Die Zahl der ausgebildeten Ärzte, die der Medizin wieder den Rücken zukehren, ist immer noch erschreckend hoch. Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass der Alltag in Praxis und Klinik aus vielen Gründen die dringend benötigten Nachwuchsmediziner eher abschreckt als anzieht. Aus bürokratischen Gründen, Stichwörter Dokumentationsaufwand, Abrechnungsprüfungen und Regresse. Und aus wirtschaftlichen Gründen, etwa die Tatsache, dass bereits jetzt in Thüringen über 20 Prozent der erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht bezahlt werden. Vielleicht erkennt die Politik ja jetzt im Zuge der durch die Corona-Krise hervorgerufenen Neubetrachtung, dass die von Effizienz und Ertragsoptimierung getriebene Situation der medizinischen Versorgung in Deutschland doch nicht alternativlos ist“, äußert sich Müller.

Daneben seien gezielt Anreize für die ärztliche Tätigkeit auf dem Land zu schaffen. Da es junge Ärzte bekanntlich eher in die Ballungsräume ziehe, sei der ländliche Raum auch stärker von dem nachlassenden Interesse der Nachwuchsmediziner betroffen. „Die Medizinstudierenden des Hartmannbundes haben diesbezüglich vorgeschlagen, Stipendien für Famulaturen auf dem Land zu vergeben, um die Vorteile des Landlebens kennenzulernen. Auch die Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen auf dem ländlichen Raum wird immer wieder vom Medizinernachwuchs thematisiert, etwa Kinderbetreuung, ÖPNV-Anbindung oder ausreichende Netzabdeckung“, teilte Müller abschließend mit.