Neuer MedizinCampus: Ein Meilenstein für Niederbayern

Was vor einigen Jahren noch wie eine weit entfernte Vision klang, ist nun Realität geworden: Bayern erhält mit dem MedizinCampus Niederbayern (MCN) ein starkes Standbein in der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte – ein Schritt, der die Gesundheitsversorgung in der Region nachhaltig verändern kann.

HB-Landesvorsitzender Wolfgang Gradel mit den Vorsitzenden des Ausschusses Medizinstudierende, Kimberley Gärtner und Peter Schreiber

Der MCN bietet unter akademischer Verantwortung der Universität Regensburg seit dem Wintersemester 2024/25 den Studiengang „Medizin Niederbayern“ mit 110 Studienplätzen an. Der erste Ausbildungsabschnitt findet in Regensburg statt, der zweite Teil direkt in Niederbayern. Das Studium startet dort zum WiSe 2027/28. Die Kohorte wird dann zu gleichen Teilen auf die vier MCN-Standorte Deggendorf/Mainkofen, Landshut, Passau, Straubing aufgeteilt. Um bis dahin einen modernen Campus für die Studierenden fertigzustellen, rollen dort derzeit die Bagger und Lehrgebäude entstehen. Der neue Multimediahörsaal der Universität Passau wird zum Beispiel Herzstück des Zentrums für Digitale Medizinausbildung (ZeDiMA). Hier soll die Lehre über Standorte hinweg zusammenfließen – per Livestream, Simulation und anderen interaktiven Formaten.

Mit dem MedizinCampus wird eine entscheidende Lücke in der medizinischen Ausbildung der Region geschlossen. Mit dabei sind Kliniken in Regensburg, Passau, Deggendorf/Mainkofen, Straubing und Landshut sowie die Hochschulen in Passau, Deggendorf und Landshut – als gleichberechtigte Partner. Damit entsteht in Zusammenarbeit ein innovatives Ausbildungsnetzwerk, das gezielt auf den Ärztemangel in Niederbayern reagiert und neue Perspektiven für Studierende wie auch für die regionale Gesundheitsversorgung eröffnet, indem es Theorie und Praxis eng verzahnt. Das Erfolgsrezept: Jeder Partner bringt seine eigene Perspektive mit ein.

Dass dieser Weg möglich wurde, ist auch u. a. dem Engagement des Hartmannbundes Bayern zu verdanken, der die Idee mit in die Öffentlichkeit getragen und stets für Akzeptanz geworben hat. Der Landesverband habe frühzeitig erkannt, welche Chancen ein Campus zum Beispiel für Passau bietet, so der Landesvorsitzende Wolfgang Gradel. Immer wieder habe er sich bei den beteiligten Akteuren, auch bei Skeptikern, Gehör verschafft. Anfangs habe es viele Widerstände gegeben, viele hätten es für eine „Schnapsidee“ gehalten, doch nur so könne die Versorgung in der Region auch in der Zukunft gesichert werden, da war sich Gradel schon damals sicher. „Wir erhoffen uns damit natürlich, dass mehr junge Ärztinnen und Ärzte in der Region bleiben, einen gewissen Klebe-Effekt.“ Direkt dort studieren, wo man später (hoffentlich) leben will.

Im Herbst 2020 wurden die Universität Regensburg und die Technische Universität München (TUM) vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst damit beauftragt, eine Machbarkeitsstudie nach dem Konzept eines MedizinCampus Niederbayern zu erstellen, der verschiedene klinische Standorte in Niederbayern einbeziehen sollte. Nachdem im März 2022 die Entscheidung für das Regensburger Konzept vom Ministerrat getroffen wurde, wird nun, im finalen Konzept, eine Gleichstellung der vier beteiligten MCN-Standorte angestrebt. „Die Regensburger Idee war einfach die Bessere“, betont Gradel. Eine Volluniversität wäre zum Beispiel zum Scheitern verurteilt gewesen, da Passau über keine Naturwissenschaften verfüge.

Prof. Dr. Ernst Tamm, Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Regensburg

Viele strukturelle und auch finanzielle Hürden mussten auf den Weg dahin genommen werden. Prof. Dr. Ernst Tamm ist Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Regensburg und berichtet über die großen Herausforderungen dieses Projektes: „Da der vorklinische Teil des Studiums an der Universität Regensburg stattfindet, mussten hier Voraussetzungen geschaffen werden, um die (infra)strukturellen Herausforderungen zu meistern: Raumsituation, Personal, Curriculumsanpassung. Für die Kooperation mit den niederbayerischen MCN-Partnern war es wichtig, Fragen der Finanzierung, der Rechte und Pflichten, die eingegangen werden müssen, sowie der Personal- und Raumplanung in Niederbayern zu klären. Dies wurde in einem vertrauensbildenden Prozess vorbereitet und schließlich mit Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung rechtlich festgeschrieben.“

Der MCN wolle gezielt Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner in Niederbayern ausbilden und so dem regionalen Ärztemangel entgegenwirken. Er ziele auf eine langfristige Bindung von Studierenden an die Region. Die starke und ausgewogene Kooperation zwischen sowohl akademischen als auch klinischen Partnern ermögliche ein innovatives Studienmodell, das als dezidiert wissenschaftsorientiert zugleich auf klinisch-praktische Ausbildung in der Region setze. „Charakteristisch für den MCN sind in diesem Kontext kleine Gruppengrößen, die ein erstklassiges Betreuungsverhältnis für die Studierenden garantieren sowie der Einsatz eines innovativen und modernen Lehr-Lernkonzepts, das auf digitale Formate setzt, wo es methodisch-didaktisch sinnvoll erscheint“, sagt Tamm.

Bis zum Vollausbau des MCN gebe es noch einige Meilensteine zu bewältigen, zum Beispiel fangen gerade die ersten Ausschreibungen für die 20 klinischen Professuren an, die bis 2027 größtenteils besetzt sein sollen; ferner sei noch ein Lehr- und Forschungsgebäude an der Universität Regensburg geplant, das bis ca. 2030 fertiggestellt werden soll. Der Fokus liege bis dahin ganz und gar auf der möglichst optimalen und vor allem erfolgreichen Umsetzung des bestehenden Konzepts. Erweiterungen seien daher momentan nicht vorgesehen.

„Mit der Gründung des MedizinCampus Niederbayern ist ein starkes Signal für die Zukunft der medizinischen Versorgung gesetzt worden“, da ist sich Wolfgang Gradel sicher. Es entstehe ein Campus, der eine akademische Exzellenz auch angesichts moderner, digitaler Lehrmethoden für die Region verspricht.

 

MCN-Student Sebastian Gumminger im Interview

Lehre individuell in kleinen Gruppen

Sebastian Gumminger

Warum hast du dich für ein Studium an der Uni Regensburg und den MCN entschieden?

In erster Linie habe ich mich für Regensburg und den MCN entschieden aufgrund der Heimatnähe. Mittlerweile weiß ich aber vor allem auch die wunderschöne Stadt zu schätzen und dass die Universität eine Campusuniversität ist. Viel entscheidender für das Studium ist aber, dass die Lehre in der Regensburger Vorklinik sehr strukturiert ist und sehr gut darin ist die Studenten aufs Physikum vorzubereiten.

Der MCN will explizit Nachwuchs ausbilden, um den regionalen Ärztemangel entgegenzuwirken – also eine langfristige Bindung zur Region. Was hältst du von dem Konzept?

Ich halte das Projekt MCN für eine sehr gute Möglichkeit dem regionalen Ärztemangel entgegenzuwirken. Man will einen Klebe-Effekt erzeugen und gerade für die Leute, die Niederbayern irgendwann einmal als Ihre Heimat bezeichnen wollen, egal ob sie von hier stammen oder nicht, ist es eine außergewöhnliche Gelegenheit an dem Ort zu studieren, wo man später einmal arbeiten möchte. Ich selbst würde gerne am Klinikum Passau meine Facharztweiterbildung machen und werde auf jeden Fall in dieser Region bleiben. Mit dem MCN habe ich die Möglichkeit vor meiner Facharztausbildung die Klinik genauer kennen zu lernen und bereits die Strukturprozesse zu verinnerlichen. Außerdem lernt man die Kollegen kennen, mit denen später einmal zusammenarbeiten wird.

Kleine Gruppen und innovative, digitale Lehr-Konzepte: Was spürst du aktuell schon davon?

Das Prinzip kleine Gruppen wird bereits jetzt am Präparationstisch an der Vorklinik gelebt. Dabei werden bei uns die Körperspender in kleineren Gruppen mit einer Anzahl von ungefähr 16 Leuten präpariert. Dieses Prinzip wird auch in den Niederbayrischen Kliniken aufgegriffen. So werden an jeder Klinik pro Semester Gruppen von 20-25 Studenten unterrichtet, wodurch die Lehre individueller gestaltet werden kann. Es sollen uns auch digitale Lernkonzepte in der Klinik zur Verfügung stehen. In Passau wird ein Multimediahörsaal für uns gebaut und Vorlesungen sollen in hybrider Form stattfinden. Ein Teil der Studentenschaft wird so digital unterrichtet, während ein anderer Teil vor Ort unterrichtet wird.

Welche generellen Eindrücke hast du bislang von der Uni gewonnen?

Meine Erfahrungen an der Universität Regensburg sind bis jetzt hervorragend. Ich bereue es keinen Tag an der Universität Regensburg Medizin zu studieren. Man erhält eine fundierte praxisnahe Ausbildung bei sehr guter Lehre und motivierten Dozenten. Die Gemeinschaft und Kameradschaft, welche sich hier unter den Studenten verschiedenster Semester aufgebaut haben, machen das Medizinstudium in Regensburg für mich einzigartig. Die Digitalisierung in der medizinischen Ausbildung schreitet mit großen Schritten voran. Ich freue mich jetzt schon auf den neuen digitalen Campus, der von der Universität Passau aufgebaut wird.

Was wünscht dir von dem neuen Campus? Welche weiteren innovativen Inhalte könntest du dir vorstellen?

Ich wünsche mir vor allem in der Klinik eine patientennahe Ausbildung in kleinen Gruppen. Die kleineren Gruppen machen es möglich Lehre individueller zu gestalten, als es an großen Unikliniken der Fall ist. Wenn so jeder Student bereits während dem Studium die Möglichkeit hat, das gelernte am Patienten selbst praktisch anwenden zu können, ist es ein großer Gewinn für die Ausbildung junger Mediziner. Wenn der MCN diese Versprechen hält, sind wir dem modernen Medizinstudium ein Stückchen nähergekommen.

Lesen Sie hier den Artikel im Original in unserem Hartmannbund-Magazin.

 

 

Prof. Dr. Ernst Tamm (Foto: Petra Homeier)
Wolfgang Gradel mit  Kimberley Gärtner und Peter Schreiber (CHL PhotoDesign/Christian Lietzmann)
Sebastian Gumminger (Foto privat)