Lipp: Vor allem den westdeutschen Ländern stehen Reformen noch bevor

Die vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung verfasste Krankenhausstruktur-Studie liefere neue Anregungen für den Reformbedarf der deutschen Krankenhauslandschaft, so der Leipziger Allgemeinmediziner Dr. Thomas Lipp, Vorsitzender des Hartmannbund-Landesverbandes in Sachsen.

„Fast nirgendwo sonst in der Welt werden pro Einwohner so viele Menschen stationär behandelt wie in Deutschland. Gleichwohl werden durch große Mengen an Krankenhausleistungen nicht unbedingt bessere Behandlungsergebnisse produziert. Hätten wir hier die gleiche Krankenhausstruktur wie in Dänemark, kämen wir mit 330 anstelle von 1.300 Akutkrankenhäusern aus. Da ist in Sachen Effizienz und Behandlungsqualität sicher noch Luft nach oben.“ Lipp hob hervor, dass eine Konzentration in so manchem Bereich auch das allseits bekannte Personalproblem mildern oder gar lösen könnte.

Es müsse aber auch klar gesagt werden, dass die in der Studie aufgezeigten Probleme an den Kliniken vor allem ein westdeutsches Phänomen seien. Dies liege daran, dass die ostdeutschen Länder bereits in den 90er Jahren leistungsstarke und zukunftsfähige Krankenhausstrukturen aufgebaut hätten. „In den westdeutschen Ländern ist der Jammer am größten, weil die in den neuen Bundesländern durchlittenen Reformen dort noch bevorstehen. Sie wurden einfach auf die lange Bank geschoben“. Nicht wenige Kliniken seien aus Sicht der Patientenversorgung verzichtbar und dienten vor allem der Reputation der Kommunalpolitiker, so Lipp.

Darüber hinaus stehe eines fest: Wenn wirklich Krankenhäuser zusammengelegt und damit die von den Patienten zurückgelegten Distanzen größer würden, müsse eine entsprechende Infrastruktur gewährleistet sein. Dies gelte umso mehr, als im Zuge von Zentralisierungen Patienten mit längeren und aufgrund von Vor- und Nachuntersuchungen auch mit häufigeren Fahrten zum Krankenhaus rechnen müssten. Und gerade in infrastrukturell benachteiligten Regionen müsse auch an die Besucher der Kranken gedacht werden. Hier seien beispielsweise spezielle Hol- und Bringdienste zum Krankenhaus denkbar, wie sie bereits seit langem von Hotelbetreibern oder Reiseveranstaltern angeboten werden.

„Die Zeiten ändern sich, und das nicht immer zum Schlechten“ sagte Lipp abschließend. Es sei nicht sinnvoll, jeden Klinikstandort um jeden Preis zu erhalten. Die Empörung, längere Wege seien unzumutbar, teile er nicht. „In Zeiten, wo Menschen keine Probleme haben, mit dem Rollator 60 Kilometer zum nächsten Einkaufszentrum zu fahren, ist es auch zumutbar, derartige Distanzen für eine spezialisierte Behandlung zu akzeptieren.“