Dr. Klaus Reinhardt mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt – Verband diskutiert Zukunft der Versorgung

„Muss sich die Praxis neu erfinden?“ Unter diesem Motto diskutierten die Delegierten der Hauptversammlung des Hartmannbundes am Wochenende die Herausforderungen in der Niederlassung in einem im Umbruch befindlichen Gesundheitssystem. Welche Rolle spielen Haus- und Facharztpraxen in künftigen Versorgungskonzepten? Wie attraktiv ist mit Blick auf die erkennbaren Perspektiven künftig (noch) die Niederlassung in eigenverantwortlicher Selbständigkeit? Welche Kooperationen oder Praxisformen bieten Voraussetzungen für attraktives Arbeiten. Und welche politischen Rahmenbedingungen braucht es, um die Praxen als tragende Säule der Versorgung zu sichern und zu stärken?

Die gesamtpolitische Ausgangssituation hatte der auf der Versammlung mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigte – Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, im Vorfeld der spannenden Expertendiskussion skizziert. Durch Rezession, dramatische Rückstände in der Infrastruktur, notwendige Investitionen in die Landesverteidigung, Fachkräftemangel und Nachteile im globalen Wettbewerb gerieten vor allem auch die sozialen Sicherungssysteme zunehmend unter Druck. „Mehr Geld ins System wird es deshalb nicht geben“, zeigte sich Reinhardt überzeugt. Bei den anstehenden Reformprojekten – von Krankenhausreform über das Primärversorgungsystem bis hin zur Notfallreform – gehe es deswegen vor allem um den effizienteren Einsatz vorhandener Ressourcen. Zu finanziellen Einsparungen würden die Reformen, mindestens kurz- bis mittelfristig, nicht führen. Der Hartmannbund-Vorsitzende erneuerte seinen Appell, Prävention höheres Gewicht zu verleihen. „Das ist hoch überfällig. Wir brauchen Gesundheitskompetenz schon im Kindergarten und in der Schule. Auf Tabak und Alkohol sind Abgaben überfällig“. Er mahnte abschließend an, auch in einer modernen, technikgetriebenen Welt, nicht das Ziel des Erhalts einer persönlichen, auf Beziehung gründenden individuellen Form der ärztlichen Behandlung und die Bedeutung des freien Berufes aus den Augen zu verlieren.

Auch Gesundheitsministerin Nina Warken machte als Gast der Hartmannbund-Versammlung deutlich, dass es auf die anstehenden grundlegenden Fragen keine einfachen Antworten geben werde. „Ein Weiter so darf es nicht geben. Der Handlungsdruck ist groß. Deutschland braucht es, Deutschland kann es“, sagte Warken. Bei der Krankenhausreform werde man noch intensiv über Geld reden müssen. Dies sei schwieriger als die Diskussion über Fristen. Sie appellierte an alle Beteiligten, dabei an einem Strang zu ziehen. Die Ministerin verteidigte ihre geplante Apothekenreform (wofür sie anschließend noch einmal Gegenwind vom Hartmannbund-Vorsitzenden erhielt), unterstrich die Notwendigkeit von Bürokratieabbau und kündigte ein Gesetz zum besseren Schutz von Gesundheitspersonal und Rettungskräften an – „auch durch Strafverschärfung“. Die geplante Einführung eines Primärarztsystems bezeichnete Warken als Paradigmenwechsel und thematisierte im Zusammenhang mit Steuerung auch mögliche „Sanktionen oder Boni“. Keinen Zweifel ließ die Ministerin im Zusammenhang mit den geplanten Gesetzesvorhaben an ihrem Willen, ärztliche Expertise umfänglich einzubinden. Wie bereits in den Tagen zuvor angedeutet, sagte Warken abschließend zu, die Verabschiedung einer neuen GOÄ nun zeitnah auf den Weg zu bringen und würdigte in diesem Kontext „zehn Jahre intensive Arbeit der Vorbereitung“ durch Bundesärztekammer und GKV-Verband.

Nach einem spannenden analytischen Impuls des Vorsitzenden des Sachverständigenrates Gesundheit, Prof. Dr. Michael Hallek zur Lage des Gesundheitswesens (Fazit: Wir brauchen nicht mehr Geld, wir müssen sparsamer mit unseren Ressourcen umgehen. Wir haben genug Ärztinnen und Ärzte in der Versorgung, aber die Leistungsfähigkeit des Systems wird durch zu hohe Fallzahlen verdünnt.) diskutierten Expert:innen Herausforderungen und Lösungsansätze für die ambulanten Versorgungsstrukturen. Ihr Fazit nach zwei Stunden:

Dr. Antonia Stahl (Niedergelassene Hausärztin mit Praxis und MVZ): Der Arztberuf macht Spaß. Gebt uns in der Niederlassung mehr Freiheit, dann machen wir das schon! Wir als Ärztinnen und Ärzte müssen diese Freiheit dann aber auch nutzen. Wir brauchen mehr Mut, Führung zu übernehmen.

Prof. Dr. Michael Hallek (Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit): Wir Ärzte müssen die Dinge gestalten. Sonst werden bei den Entwicklungen andere den Einfluss haben und uns herausdrängen.

Dr. Burkhard Ruppert (Vorstandsvorsitzender KV Berlin): Wir brauchen Klasse statt Masse. Das geht nicht ohne konsequente Koordinierung der Patientenwege und ein Ende der Budgetierung.

Linus Drop (LillianCare): Patientinnen und Patienten sind weiter bei Digitalisierung und offener für Delegation, als wir denken. Das müssen wir nutzen.

Thomas Czihal (Stellv. Vorsitzender Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung): Wir müssen jegliches medizinfremde Zeug aus den Praxen heraushalten. Nur dann können wir uns auf Versorgung konzentrieren.

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Am Samstag wurde gewählt – der neue Vorstand des Hartmannbundes: Vorsitzender Dr. Klaus Reinhardt, stellv. Vorsitzende Prof. Dr. Anke Lesinski-Schiedat sowie die Beisitzerinnen bzw. Beisitzer Klaus Rinkel, Dr. Thomas Lipp, Moritz Völker, Dr. Dr. Galina Fischer, Dr. Anna Finger und Dr. Thomas P. Ems.

Die Stiftung des Hartmannbundes hat mit Unterstützung der SIGMA Bank zum neunten Mal das Hartmannbund-Stipendium an zwei Medizinstudierende vergeben – Hava Celik und Eldar Tuktarov. Das Stipendium ist eine Auszeichnung für sehr gute Studienleistungen und besonderes berufs- und sozialpolitisches Engagement während des Medizinstudiums.

Die Filmemacherin Antje Büll ist am Freitag im Rahmen der Hauptversammlung des Hartmannbundes mit dem diesjährigen Film- und Fernsehpreis für die NDR-Story „Hilfe, mein Krankenhaus stirbt! Was bringt die Reform?” ausgezeichnet worden. Aus 29 eingesandten Beiträgen ist die bemerkenswerte Dokumentation von einer Fachjury ausgewählt worden. Die Dokumentation können Sie sich HIER in der ARD-Mediathek anschauen.

Die Stipendiaten Hava Celik und Eldar Tuktarov sowie NDR-Redakteurin Gabi Bauer,
die stellvertretend für die Gewinnerin Antje Büll den Preis von Dr. Klaus Reinhardt entgegengenommen hat

Dr. Astrid Bühren, Dr. Peter Göbel, Dr. Claudia Kramer-Cannon und Dr. Volker Frey (v. l. n. r.) wurden mit der Plakette des Hartmannbundes ausgezeichnet. Sie ehrt Mitglieder und Mandatsträger, die sich durch erfolgreiche und unermüdliche berufsständische Arbeit und vorbildliche ärztliche Haltung besondere Verdienste um das Ansehen des Hartmannbundes und der deutschen Ärzteschaft erworben haben.

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