Ende der Woche befindet der Deutsche Bundestag über das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), welches dem Hausärztlichen Versorgungsbereich die Abschaffung der Budgetierung bringen soll. Dies weckt Hoffnungen, dass nach über drei Jahrzehnten das Ende einer fatalen Gesundheitsstrategie gekommen ist und die lang erhoffte Entbudgetierung Wirklichkeit wird. Aus Sicht des Brandenburger Hartmannbundes ist jedoch fraglich, ob der Gesetzentwurf, so wie er gestrickt ist, die erhofften Verbesserungen mit sich bringen wird. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Gesetzentwurf die bestehenden Versorgungsprobleme – Terminknappheit, Unattraktivität bestimmter Niederlassungsregionen, Ärztemangel und geringe Wertschätzung ärztlicher Tätigkeit – lösen kann. Denn der Gesetzentwurf sieht grade nicht vor, dass nun endlich alle hausärztlich erbrachten Leistungen voll bezahlt werden, die Inaugurierung des Bergriffs Entbudgetierung erfolgt also mithin missbräuchlich. Das Gegenteil wird der Fall sein, denn die Reform soll und darf keine neuen Finanzmittel der Krankenkassen beinhalten. Das Ziel ist letztlich eine politisch gewollte Umverteilung im Hausärztlichen Versorgungsbereich mit völlig ungeahnten Folgen für die Patientenversorgung“, äußert sich der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes, Dr. med. Hanjo Pohle.
Faktisch blieben so Inzidenz und Morbiditätsrisiko weiter bei den Leistungserbringern und nicht bei den Krankenkassen, wo sie dem Grunde nach hingehörten, und würden bei den Hausärzten die gleichen Probleme hervorrufen wie bisher, nur eben in anderer Verteilung. „Eine Entbudgetierung ohne neue Finanzmittel, welche dem demographisch und morbiditätsbedingt gewachsenen Leistungsbedarf entsprechen und alle Fachgruppen beinhalten, ist und bleibt eine Farce. Das Resultat dieser Entwicklung wird eine Quotierung von Leistungen sein sowie Frust und das Gefühl, von Politik und Gesellschaft wiederholt veralbert zu werden. Hier werden Ärzte und Patienten scheinbar bewusst hinter die Fichte geführt und ein weiteres Versorgungschaos zumindest in Kauf genommen. Dies sollten wir Ärztinnen und Ärzte unseren Patienten gegenüber auch klar kommunizieren, damit sie sich im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl ein breites Meinungsbild hinsichtlich der Performance bestimmter Parteien bilden können“, macht der Rathenower Allgemeinmediziner deutlich.
Pohle schließt mit einem Appell an die Politik: „Wir appellieren dringlich an die Entscheidungsträger, an die Folgen der hier beabsichtigten Beschlüsse zu denken und schnell und beherzt gegenzusteuern, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht noch mehr an die Wand gefahren und weiteres Vertrauen insbesondere in der Gesundheitsversorgung verspielt wird. Es sind nur noch wenige Tage Zeit.“
Hintergrund:
Die Budgetierung wurde im Jahr 1996 durch den damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) im Gleichklang mit Rudolf Dreßler (SPD) unter Billigung der damals in Verantwortung stehenden KBV eingeführt, gemeinsam mit einer restriktiven Bedarfsplanungsrichtlinie. Seither werden Patienten und Ärzte durch die Politik aller Schattierungen mit Budgetregelungen gegeißelt und erleben Tag für Tag, wie sich ein zu enger Finanzrahmen bei notwendigen Gesundheitsleistungen als Fessel und Restriktion in der Gesundheitsversorgung auswirkt.
In keinem anderen Bereich der Gesellschaftsfürsorge werden Leistungen einfach nicht mehr erstattet und die Inzidenz von Erkrankungen und zusätzlich das Morbiditätsrisiko einfach dem Arzt statt der dafür zuständigen Krankenkasse überlassen. Aus Sicht vieler niedergelassener Ärztinnen und Ärzte entwickelte sich diese planwirtschaftlich anmutende Maßnahme zum gesundheitspolitischen Desaster, das sowohl wesentliche Ursache der grassierenden Terminknappheit ist und auch zu einem geringer ausgeprägtem Interesse an der Übernahme oder Gründung einer Arztpraxis geführt hat.