Lipp: Problem liegt nicht nur beim Bürgergeld

Die Krise der Gesetzlichen Krankenversicherung ist hausgemacht und lässt sich auf ein zentrales Grundproblem zurückführen – so der Sächsische Hartmannbund-Landesvorsitzende Dr. Thomas Lipp. „Die GKV hat nicht primär ein Einnahmeproblem – sie ist aufgebläht durch viele, zweifelsohne wichtige sozialpolitische Ausgaben, die aber nichts mit ihrer ureigenen Aufgabe der Krankenversorgung zu tun haben. Gleichzeitig werden diese zwar versicherungsfremden, jedoch aus der GKV finanzierten Leistungen allein von den Versicherten dieser Kassen getragen, obwohl es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Dabei gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, für Aufgaben, die alle betreffen, nicht die Gesamtheit der Steuerzahler sowie die PKV-Versicherten mit einzubeziehen. Zudem ist es auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht förderlich, wenn Aufgaben der staatlichen Daseinsfürsorge auf den Schultern weniger, insbesondere arbeitender GKV-Zahler, lasten“, teilt der Leipziger Allgemeinmediziner mit. Dabei handele es sich nicht um Lappalien, sondern um rund 60 Milliarden Euro pro Jahr, was für Versicherte mit durchschnittlichem Einkommen eine versicherungsfremde Belastung von stolzen 750 Euro im Jahr bedeute.

„Bevor wir über Zuzahlungsmodelle oder andere neue Einkommensarten für die GKV sprechen, sollte zunächst einmal mit den ordnungspolitischen Fehlern der Vergangenheit aufgeräumt werden. Dann würde nicht die nächste Erhöhung des Zusatzbeitrags im Raum stehen, sondern wir könnten im Gegenteil sogar über Beitragssenkungen nachdenken”, so Lipp weiter.

Als Beispiele für GKV-finanzierte Leistungen, die wenig bis nichts mit Krankenversorgung im eigentlichen Sinne – der Absicherung eines gesundheitlichen Schadenfalls – zu tun haben, nennt Lipp die folgenden: Leistungen der Prävention und Krankheitsverhütung, Gesundheitskampagnen, Aufklärungsmaßnahmen und infrastrukturelle Maßnahmen zur Modernisierung von Gesundheitseinrichtungen.

Weiter fragt Lipp: „Wieso müssen die Gesetzlichen Krankenkassen den Krankenhausumbau mitfinanzieren, die Ausbildung von Pflegekräften, die Weiterbildung von Hausärzten oder den Aufbau der Telematik-Infrastruktur? Warum müssen Krankenkassen einen Zuschuss zum Bürgergeld und Rentenversicherung leisten?“ Hierbei handele es sich um sozialstaatliche Kernaufgaben, die zweifelsohne ihre Berechtigung hätten, aber nunmal keine originären Leistungen einer Gesetzlichen Krankenkasse seien. „Dieser Verschiebebahnhof muss endlich ein Ende haben, diese Leistungen müssen konsequent aus dem Steueraufkommen finanziert und das Sozialgesetzbuch V wo nötig entsprechend angepasst werden“, fordert der Sächsische Hartmannbund-Vorsitzende.

Zudem könne zur Senkung der Ausgaben auch über eine Reduzierung der Kassenlandschaft nachgedacht werden. „Eine Vielzahl von Krankenkassen hätte eine Berechtigung, wenn es einen echten Wettbewerb zwischen den Kassen gäbe. Tatsächlich kann jedoch niemand überzeugend erklären, warum es 94 Krankenkassen braucht – und echte Unterschiede muss man mit der Lupe suchen“, äußert sich Lipp abschließend.