Der Norddeutsche Rundfunk hat jüngst in einer nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage über 19.000 Menschen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen ein Meinungsbild über die Gesetzliche sowie Private Krankenversicherung erfasst. Wenig verblüffend sind die Resultate, welche vor allem eine wahrgenommene Benachteiligung von Kassenpatientinnen und -patienten aufzeigen. Das gegenwärtige System wird von einem Großteil der Befragten als ungerecht empfunden, ganz gleich, ob sie gesetzlich oder privat versichert sind. Im Rahmen der Umfrage wird gar der Wunsch nach einer Abschaffung des Systems zugunsten einer einheitlichen Kasse laut.
Dr. Maximilian Gebhard, Vorstandsmitglied im Hartmannbund Hamburg zeigt sich angesichts der Ergebnisse alarmiert: „Eine Einheits- oder Bürgerversicherung, wie sie auch von Teilen der Politik gefordert wird, ist nicht die Lösung des Problems. Hierzu muss man sich nur die Situation in Großbritannien anschauen: Längere Wartezeiten sowie ein räumlich und personell entkoppelter Wildwuchs an Privatärztinnen und -ärzten sowie Privatkliniken kann nicht im Interesse der Mehrheit der Patientinnen und Patienten sein.“
Dabei erkennt der Facharzt für Pathologie auch die Schwächen des gegenwärtigen Systems an: „Privat- als auch Kassenpatientinnen und -patienten profitieren von derselben medizinischen Infrastruktur und denselben medizinischen Fachkräften. Gleichwohl zeigt sich in der Praxis, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der allgemeinen Unterfinanzierung des ambulanten Sektors, es zu Unterschieden in der Wartezeit, der Zugänglichkeit von Fachärztinnen und -ärzten und der Möglichkeit, bestimmte Behandlungen zu erhalten, kommen kann. Für viele gesetzlich Versicherte verstärkt dies die Wahrnehmung einer ungerechten Ressourcenverteilung, die im Kontext einer solidarischen Gesundheitsversorgung nachvollziehbarerweise, kritisch gesehen wird.“
Dr. Clemens Rust, niedergelassener Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Hartmannbundes in Hamburg, pflichtet seinem Kollegen bei: „Kleine Vorteile für privat Versicherte nimmt jeder hin, solange gesetzlich Versicherte bei der Behandlung auf Augenhöhe mit privat Versicherten sind. Die Ergebnisse der Umfrage fasse in jedem Fall als Appell an mich sowie meine Kolleginnen und Kollegen auf, in unserem System mit Bedacht und Balance zu arbeiten. In dieser Debatte sollten wir uns auf Lösungen fokussieren, die den Zugang zur bestmöglichen medizinischen Versorgung für alle gewährleisten – unabhängig von ihrem Versicherungsstatus.“