Ein grundsätzlich positives Resümee seiner bisherigen Amtszeit zog Bundesgesundheitsminister Lauterbach zum Jahreswechsel. Viele relevante Reformvorhaben seien erfolgreich angestoßen oder über die Zielgerade gebracht worden. So hatte der Bundesrat zum Ende des vergangenen Jahres noch den Weg für die umstrittene Krankenhausreform freigemacht.
„Was neben all der Lobhudelei nicht in Vergessenheit geraten darf, sind Vorhaben wie die Reform der Notfallversorgung, die Stärkung der ambulanten Versorgung und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, vor allem auch der Prävention“, moniert Prof. Volker Harth, Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheitsdienste im Hartmannbund.
Der Präventionsgedanke war vom Bundesgesundheitsministerium zuletzt im Rahmen des Gesundes-Herz-Gesetz aufgefasst worden. Beispielsweise sollen durch Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen rechtzeitig erforderliche Maßnahmen ergriffen werden können und chronisch Kranke einen besseren Zugang zu strukturierten Behandlungsprogrammen erhalten. Harth befürwortet diesen Ansatz im Kern, übt aber auch deutliche Kritik: „Die Zahl von tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen muss in der Bundesrepublik drastisch reduziert werden. Hieran besteht kein Zweifel. Das bisherige Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit bietet einzelne wichtige Ansätze, doch es vernachlässigt die enormen Potenziale der Primärprävention. Eine Gesellschaft, die Krankheiten wirklich vorbeugen möchte, muss auch den gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontext berücksichtigen, in dem diese Krankheiten entstehen.“
Der Deutsche Bundestag hat aus diesem Grund vor gut zehn Jahren das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention verabschiedet. Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen wurden weiterentwickelt, auf Grundlage einer nationalen Präventionsstrategie trafen die wesentlichen Akteure des Gesundheitswesens eine Übereinkunft zur Zusammenarbeit bei der Gesundheitsförderung insbesondere in Kitas, Schulen oder auch Pflegeeinrichtungen. Der Arbeitsmediziner will die Erfolge des Gesetzes mitnichten aberkennen, dennoch zeige sich, dass weitere politische Maßnahmen ergriffen werden müssen, die sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Ansätze stärker in den Versorgungsalltag integrieren. „Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung nimmt ab: Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Basiswissen zu Gesundheit, Krankheit und Selbsthilfe bei leichten Erkrankungen wie Erkältungen oder Prellungen in der Familie vermittelt wird. Das ist schlichtweg besorgniserregend!“ äußerte sich Harth heute in Berlin.
Nur durch eine klare Priorisierung der Prävention ließen sich Prof. Harth zufolge vermeidbare Erkrankungen reduzieren, die gesundheitliche Versorgung entlasten und langfristige Kosten senken: „Sollte das Gesundes-Herz-Gesetz in der neuen Legislaturperiode wieder aufgegriffen werden, appelliere ich in aller Deutlichkeit an den Gesetzgeber, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Prävention muss als Erweiterung der Gesundheitskompetenz und nicht als Medikamentenvergabe zur Bekämpfung der Symptome gedacht werden. So können Krankheitsrisiken reduziert und Angebote der medizinischen Versorgung sinnvoll genutzt werden.“