Struktureller Reformbedarf im Fokus – Klausurtagung des Hartmannbundes Westfalen-Lippe setzt gesundheitspolitische Akzente

Vor dem Hintergrund tiefgreifender demografischer, ökonomischer und systemischer Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung fand die Klausurtagung des Landesverbandes Westfalen-Lippe des Hartmannbundes in Münster statt. Im Zentrum standen zukunftsweisende Impulse zur finanziellen Resilienz und strukturellen Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens.

Der Landesvorsitzende Dr. Han Hendrik Oen eröffnete die Veranstaltung mit einem klaren Appell zur Verantwortung: „Unser Gesundheitswesen befindet sich in einer Phase struktureller Transition. Die Handlungsfenster zur Stabilisierung und Reform sind eng – wir müssen sie jetzt entschlossen nutzen, um Systemstabilität und Versorgungsgerechtigkeit langfristig zu sichern.“

Zwei hochkarätige Referenten aus zentralen Institutionen der Selbstverwaltung beleuchteten die gegenwärtigen Herausforderungen aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive:

Thomas Keck, Erster Direktor der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, stellte die medizinische Rehabilitation als Schlüsselsegment im Spannungsfeld von demografischem Wandel, Fachkräftesicherung und nachhaltiger Sozialpolitik heraus. „Die Rehabilitationslandschaft steht vor einer paradigmatischen Neuausrichtung“, konstatierte Keck. Er betonte die strategische Bedeutung des Reha-Kreislaufs im Sinne einer verzahnten Versorgungskette und verwies auf das Leitmotiv „Prävention vor Reha vor Rente“ als normative Grundlage: „Eine leistungsfähige, effizient gesteuerte medizinische Rehabilitation ist essenziell, um langfristige Erwerbsfähigkeit zu erhalten und Frühverrentung präventiv zu begegnen. Reha darf nicht nach Kassenlage organisiert werden.“

Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest, adressierte die ökonomische Disruption in der Gesetzlichen Krankenversicherung mit unmissverständlicher Deutlichkeit: „Im Jahr 2024 verzeichneten die gesetzlichen Krankenkassen ein strukturelles Defizit von 6,2 Milliarden Euro. Die Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds sind auf 5,7 Milliarden Euro gesunken – ein kritischer Schwellenwert.“

Ackermann prognostizierte eine strukturelle Finanzierungslücke von ca. 9 Milliarden Euro im Jahr 2026, sofern keine adäquaten fiskalpolitischen Korrekturen erfolgen: „Ein Sofort-Reset ist unausweichlich – das Ausgaben-Einnahmen-Gefälle muss ohne weitere Beitragserhöhungen egalisiert werden. Ab 2027 dürfen die Leistungsausgaben nicht schneller wachsen als die beitragspflichtigen Einnahmen – ein Korridor von 2 bis 4 Prozent jährlich bildet die fiskalische Leitplanke.“

Seine Analyse mündete in der Forderung nach tiefgreifenden Effizienzreformen, etwa durch sektorübergreifende Versorgungssteuerung, eine Weiterentwicklung der Arzneimittelregulierung und eine Rückführung zentralistischer Überregulierung auf Landes- und Vertragspartner-Ebene.

Die anschließende Podiumsdiskussion unter Beteiligung beider Referenten sowie ärztlicher Vertreterinnen und Vertreter des Hartmannbundes offenbarte breite Einigkeit über die Notwendigkeit einer strukturellen Neujustierung des Systems – sowohl auf der Finanzierungs- als auch auf der Leistungsseite. Die Konvergenz der Argumente machte deutlich: Nachhaltige Versorgungssicherheit ist ohne ein tiefgreifendes Rebalancing zwischen Anspruch, Evidenz und Finanzierbarkeit nicht denkbar, was auch der Bevölkerung klar gemacht werden muss.

Die Klausurtagung endete mit einem klaren Appell an Politik und Institutionen: Die Reforminstrumente liegen auf dem Tisch – jetzt ist der politische Wille zur stringenten Umsetzung und ehrlichen Kommunikation gefragt.