Weiter so? Trotz „Kein weiter so“?

Der Hartmannbund Brandenburg erinnert vor dem Hintergrund der für Mitte September vorgesehenen nächsten Verhandlungsrunde zum Orientierungspunktwert 2025 an die schon vor einem Jahr proklamierte Situation: Dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf.

Hierzu stellt der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes, Dr. Hanjo Pohle, fest: „Erneut wirft die GKV als Verhandlungspartner mit dem Angebot einer Honoraranpassung von 1,6 Prozent ein Angebot in den Ring, das nur als weiterer Ausdruck einer um sich greifenden Realitätsverweigerung gesehen werden kann. Unser ‚Sozialpartner‘ entzieht sich bereits seit Jahren seiner Verantwortung und treibt Ärztinnen und Ärzte in desaströse Honorarabschlüsse, gaukelt aber gleichzeitig seinen Versicherten vor, alles könne nun auch weiterhin ohne Leistungseinschränkungen weiter gehen“.

Angesicht der Tatsache, dass geschätzt über 80 Prozent aller gesundheitsrelevanten Versorgungsfälle im ambulanten Bereich erfolgen – wo verglichen mit dem stationären Sektor seit Jahrzehnten mit „Dumpingpreisen“ hochqualifizierte Medizin betrieben wird – erweisen sich diese ans Licht gekommenen Vorschläge der Krankenkassen als surreal und gesellschaftszerstörend. „Gesellschaftszerstörend in dem Sinne, dass diese Verhandlungspolitik der GKV letztlich eines der wenigen noch funktionierenden zwischenmenschlichen Beziehungssysteme – das des Arzt -Patient-Verhältnisses – aufs Spiel setzt. Es ist ein entscheidender gesellschaftlicher Faktor, der dazu beiträgt, die Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderfallen zu lassen, gerade in einer Zeit nationaler Verunsicherung.

Das Gefühl, in gesundheitlichen Krisen gut betreut zu werden, sollte als ‚Klebstoff‘, der die Gesellschaft zusammenhält, nicht unterschätzt werden. Wird er, wie scheinbar von einigen beabsichtigt, für teilweise verzichtbar gehalten, wird die bereits bestehende Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger über bestimmte gesellschaftliche Prozesse zunehmen. Wer fortgesetzt Verhandlungsangebote, die eine weiterhin hochqualifizierte und empathische Gesundheitsversorgung schlicht nicht möglich machen, auf den Tisch legt, muss sich daher auch den Vorwurf gefallen lassen, der Zerstörung eines funktionierenden Gesundheitssystems Vorschub zu leisten“, findet der Rathenower Allgemeinmediziner.

Da die Gesetze der Ökonomie weder vor dem stationären noch vor dem ambulanten Sektor Halt machten, sei bei ausbleibender Refinanzierung der massiv gestiegenen Kosten in den Praxen eine Anpassung des Leistungsumfanges an die zur Verfügung gestellte Gesamtvergütung unumgänglich. In der Folge könnten Ärztinnen und Ärzte, entgegen ihren eigenen ethischen Auffassungen, gezwungen sein, Leistungen am Patienten in zeitlicher Hinsicht und im Behandlungsumfang zu reduzieren. Dies könnte beispielsweise durch strenge Anwendung der WANZ-Kriterien erfolgen – etwa in der Weise, dass jeder Standard, der das Maß des „Ausreichenden“ überschreite, vom Patienten selbst zu tragen sei. „Dies alles geht zu Lasten unserer Patientinnen und Patienten, die sich zu Recht fragen, warum ihre Krankenkasse ärztliche Leistungen nicht ausreichend vergütet und trotzdem kräftige Beitragserhöhungen ankündigt. Denkbar, dass die Antwort, die wir Ärztinnen und Ärzte unseren Patienten dann geben werden, nicht immer zur Zufriedenheit der Kassen ausfallen mag“, äußert sich der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes.

Um all dies zu vermeiden, appelliert der Hartmannbund Brandenburg eindringlich an die Krankenkassen, im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde die Realitäten anzuerkennen und ihre destruktive Blockadehaltung – möglicherweise mit dem Kalkül, die Verhandlungen wieder durch Schiedsspruch des unparteiischen Vorsitzenden des Erweiterten Bewertungsausschusses enden zu lassen – aufzugeben. „Wir fordern die Kassen in dem Zusammenhang auch auf, endlich der Ärzteschaft zur Seite springen, welche gesetzliche Änderungen zur Herbeiführung eines transparenten und unabhängigen Schlichtungsverfahrens anmahnt. In diesem Jahr wird es kein Verständnis mehr geben, wenn ‚kein weiter so‘ angekündigt wird und dann alles doch genau so weiter geht!“, so Pohle abschließend.