„Wir dürfen nicht warten, bis die Krise uns überrollt“

Die Delegierten des Hartmannbundes Baden-Württemberg einigten sich jüngst einstimmig auf eine Erklärung, die eine substanzielle Stärkung des Gesundheitswesens in Krisen- und Katastrophenlagen fordert. Angesichts der sicherheitspolitischen Entwicklungen und aktueller Bedrohungsanalysen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr warnt der Hartmannbund vor strukturellen Defiziten im deutschen Gesundheitssystem und ruft die politischen Entscheidungsträger in Bund und Land zum sofortigen Handeln auf. „Wir erleben derzeit eine sicherheitspolitische Zeitenwende, die tiefgreifende Auswirkungen auf die medizinische Versorgung haben wird – nicht nur im Verteidigungsfall, sondern bereits bei hybriden Bedrohungslagen, wie wir sie heute schon beobachten können“, erklärte Klaus Rinkel, Landesvorsitzender des Hartmannbundes Baden-Württemberg. „Wenn wir nicht jetzt die Strukturen schaffen, um unser Gesundheitswesen krisenfest aufzustellen, droht im Ernstfall ein Versagen auf Kosten von Menschenleben.“

Die vom Hartmannbund formulierte Resolution fordert unter anderem:

– den Ausbau medizinischer Notfallkapazitäten in Kliniken und Rettungsdiensten,

– die strategische Sicherung von Arzneimitteln und medizinischem Material,

– die verpflichtende Durchführung gemeinsamer Übungen mit zivilen und militärischen Akteuren,

– den Aufbau eines integrierten Krisenmanagementsystems sowie

– gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote im Katastrophenschutz für medizinisches Personal.

„Wir sehen derzeit, wie sehr sich der jahrzehntelange Rückbau an Reservestrukturen und Vorsorgekapazitäten rächt. Es mangelt vielerorts an robusten Versorgungsnetzen, verlässlicher Koordination und ausreichend Materialreserven. Das Gesundheitswesen kann die Last einer Krise nur dann tragen, wenn es systematisch darauf vorbereitet ist“, betont Rinkel. Das jüngste Symposium des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr, das gemeinsam mit BÄK, KBV und DKG konkrete Szenarien für den Bündnis- und Verteidigungsfall diskutierte, hat eindrücklich unterstrichen, wie dringend im Bedarfsfall – etwa bei Cyberattacken, gezielten Angriffen auf kritische Infrastrukturen oder massiven Fluchtbewegungen – eine eng verzahnte zivil-militärische Zusammenarbeit erforderlich ist.

Die Resolution schließt mit einem Appell: Bund und Länder sollten zügig ein Gesundheitssicherstellungsgesetz auf den Weg bringen, das Zuständigkeiten klar regelt, die Koordination zwischen allen Akteuren verbindlich gestaltet und die Versorgungsqualitäten im Ernstfall gewährleistet. „Regional unterschiedliche Strukturen bei Alarmierungsprozessen oder Evakuierungsrouten können im Ernstfall wertvolle Minuten kosten“, gibt Rinkel zu bedenken. Besonders wichtig sei daher die Etablierung eines bundesweiten digitalen Lagebildsystems, das in Echtzeit Bettenkapazitäten, Personalressourcen und Materialbestände erfasst. Nur so lassen sich Patientenströme bei Großschadenslagen effektiv und automatisiert steuern.

„Ein funktionierendes Gesundheitssystem auch in Extremlagen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis guter Vorbereitung. Ein Gesundheitssicherstellungsgesetz kann hier der verbindliche Rahmen sein – wenn es jetzt auf den Weg gebracht wird. Politische Verantwortung zeigt sich nicht nur im Krisenmanagement, sondern vor allem in der Krisenvorbereitung“, so Klaus Rinkel abschließend.

Der Hartmannbund kündigt an, sich weiterhin aktiv in die politischen Beratungen einzubringen – auch mit dem Ziel, medizinische Ausbildungsinhalte krisenfest zu gestalten, Resilienzstrukturen in der ambulanten und stationären Versorgung aufzubauen und ein gesamtstaatliches Verantwortungsbewusstsein für die medizinische Krisenvorsorge zu etablieren.