2. Zunehmende Ausbildung konzernartiger Strukturen in der medizinischen Versorgung schränkt die freie Arztwahl durch den Patienten sowie die Freiheit ärztlicher Berufsausübung und ärztlicher Entscheidungen ein

Die Delegiertenversammlung des Hartmannbund-Landesverbandes Nordrhein lehnt die Bildung immer größerer Einheiten bis hin zu konzernartigen Strukturen – insbesondere in Gestalt von „kettenartig“ dimensionierten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) – in der ambulant-vertragsärztlichen Versorgung ab und begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2018 – B 6 KA 1 /17 R in Revision des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. November 2016 (L 4 KA 20/14), wodurch sicherstellt ist, dass MVZ in Trägerschaft von Investoren ohne fachlichen Bezug, die nicht in § 95 Abs. 1a SGB V abschließend genannt sind, keine weiteren MVZ gründen dürfen. Gleichzeitig wird der Gesetzgeber aufgefordert, zukünftig sicherzustellen, dass nicht einige wenige konzernartig aufgestellte Anbieter – auch solche, die gemäß § 95 Abs. 1a SGB V und der nunmehr höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig sind – lokal oder regional eine Alleinstellung erlangen können. Anderenfalls droht, dass ein primär renditeorientierter Anbieter die wirtschaftlichen, organisatorischen, personellen und qualitativen Konditionen für die Erbringung medizinischer Leistungen einseitig bestimmen kann. Der Verlust von Angebotsvielfalt sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor schränkt die freie Arzt- und Krankenhauswahl zu Ungunsten des Patienten ein. Der vielfach geforderte und angestrebte faire Wettbewerb mit dem Vergleich von Qualität, Preisen und Leistungen kann somit nicht mehr stattfinden. Das schadet allen: Patienten, Ärzten und Kostenträgern. Darüber hinaus wird durch diese Entwicklung das den individuellen Bedürfnissen gerechtwerdende Behandlungsverhältnis zwischen Patient einerseits und dem in seinen Entscheidungen wirklich unabhängigen und somit freien Arzt andererseits gefährdet. Die Ausübung des Arztberufs als Freier Beruf steht auf dem Spiel, wenn es niederlassungswilligen Ärztinnen und Ärzten de facto nicht mehr möglich ist, sich in wirtschaftlicher Selbständigkeit niederzulassen, weil verfügbar werdende – insbesondere fachärztliche – Vertragsarztsitze durch die Betreiber großer MVZ – gar in nicht-ärztlicher Trägerschaft – wettbewerblich erworben werden. Die Delegiertenversammlung des Hartmannbund-Landesverbandes Nordrhein stellt fest, dass bereits jetzt auch in Nordrhein in Bezug auf bestimmte Fachgebiete wie Labormedizin, Radiologie und Nephrologie/Dialyse ein derartiger Zustand eingetreten ist.

Begründung:

Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 mit Inkrafttreten am 1. Januar 2004 sind Medizinische Versorgungszentren (MVZ) ermöglicht worden. Dabei wurde auch institutionellen und sogar fachfremden Betreibern von MVZ der Zugang zur regulären vertragsärztlich-ambulanten Versorgung erstmals in voller Breite und wettbewerblich zu den niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzten geöffnet. Die daraufhin eingetretene Entwicklung hat der Gesetzgeber im Jahre 2011 zum Anlass genommen, der weiteren Ausbreitung von MVZ in Trägerschaft von Investoren ohne fachlichen Bezug mit dem zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetz entgegenzuwirken. Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. November 2016 (L 4 KA 20/14) machte diesbezügliche Regelungen im GKV-Versorgungsstrukturgesetz weitgehend kraftlos, indem es von fachfremden Investoren getragenen MVZ erlaubt, selbst wiederum als Gründer und Träger weiterer MVZ gemäß § 95 Abs. 1a in Verbindung mit § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Erscheinung zu treten. Der weiteren Ausbreitung großer MVZ in Trägerschaft fachfremder Investoren wäre bei Erfolglosigkeit der beim Bundessozialgericht in Bezug auf das Urteil des Hessischen LSG erfolgten Revision (B 6 KA 1/17 R) und bei unverändert belassener Gesetzeslage weiterer Vorschub geleistet worden. Natürliche Personen – Vertragsärzte – können insbesondere beim Erwerb von Vertragsarztsitzen bzw. bestehender Praxen im wirtschaftlichen Wettbewerb mit großen MVZ – auch in Trägerschaft von gemäß § 95 Abs. 1a zulässigen und mithin auch institutionellen Betreibern – nicht mithalten, weil Erwerb und Betrieb einer vertragsärztlichen Praxis bei natürlichen Personen auf deren biologisch limitierte Erwerbsbiographie zu kalkulieren sind, und im Übrigen Vertragsärztinnen und -ärzte keine aus öffentlichen oder Konzernmitteln oder gar durch Fremdinvestoren bereitgestellte Investitionskostenfinanzierung erhalten.