Die bereits heute fühl- und sichtbar knapper werdende Ressource Arztzeit, besonders im ländlichen, aber zunehmend auch im städtischen Bereich, wird in den kommenden Jahren zunehmen. Denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand, gleichzeitig steigt der Behandlungsbedarf aufgrund des demographischen Wandels stetig. Unser Gesundheitswesen steht vor massiven Herausforderungen, deren Ausmaß offenbar noch nicht in Gänze bei den politisch Verantwortlichen angekommen ist.
Die Hartmannbund Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt fordern eine konzertierte Aktion aller Akteure der Gesundheitsversorgung – Ärzte, Pflegende, Kassen und Politik – in Bund und Ländern, die sich folgenden Aufgaben widmet:
1. Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit erhöhen durch ausreichende Vergütung:
Im ambulanten Bereich müssen die Verwerfungen durch den EBM dringend korrigiert werden. Die Höhe der Vergütung ärztlicher Leistungen ist oft niemandem vermittelbar bzw. mutet z.T. lächerlich gering an. Leistung muss sich wieder bzw. mehr als jetzt lohnen. Auch müssen leistungsfeindliche Hemmnisse beseitigt werden. So müssten etwa Praxen bei personellen Verstärkungen ihre Leistungen stärker als bisher erhöhen dürfen, ohne „gedeckelt“ zu werden.
Im stationären Bereich bleibt die Hauptursache der heutigen Mißstände, d.h. die ökonomisch induzierte Leistungsausweitung bestehen, solange ärztliche Leistungen nicht komplett aus den DRG ausgegliedert werden (Hamsterrad-Effekt). Dies gilt auch, wenn im Zuge einer Krankenhausreform eine Mischfinanzierung aus Vorhaltekosten und DRG beschlossen werden sollte. Genauso wichtig ist es, dass die Bundesländer ihrer Verpflichtung zur Investitionskostenfinanziering vollständig nachkommen. Andernfalls wird es weiterhin zu Quersubventionierungen von Investions- durch Betriebskosten, d.h. auf dem Rücken des medizinischen Personals kommen.
2. Konsequentere Förderung der durch Digitalisierung möglichen Formen der Delegation (z.B. Möglichkeit, dass MFA auf Hausbesuch Arzt per Video dazu schalten, Telenotarzt zur Zuschaltung in Rettungswagen usw.) und Überführung dieser Möglichkeiten in die Regelversorgung
3. Endlich konsequenter Abbau von medizinisch nicht notwendiger Bürokratie. Konkrete zielführende Vorschläge aus der Verbändebefragung wurden kürzlich vom Bundesjustizministerium veröffentlicht. Diese sind von den o.g. Akteuren um weitere Vorschläge zu ergänzen und dann von den politisch Verantwortlichen umzusetzen. Wir können es uns nicht mehr leisten, 40 Prozent und mehr der ärztlichen Zeit für Dokumentation und sonstige bürokratischen Tätigkeiten ohne medizinischen Nutzen zu verschwenden. Wo ein Bürokratieabbau nicht möglich ist, sind zwingend gegenfinanzierte Möglichkeiten einer Delegation dieser Aufgaben an geeignetes (Assistenz-)Personal zu schaffen.
Gera, 6.5.2023