Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung sinnvoll gestalten

Vorbemerkung

Die Landesversammlung des bayerischen Hartmannbundzweiges knüpft mit dieser Resolution zum einen an die Beschlüsse des diesjährigen 124. Deutschen Ärztetages in Berlin an, auf dem vor einer Digitalisierung ohne Rücksicht auf Nutzen und Praxistauglichkeit gewarnt wurde, sowie zum anderen an die von der sog. Fachberufekonferenz im Gesundheitswesen am 18. Juni 2021 diskutierten möglichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesundheitsversorgung.

Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung sinnvoll gestalten

Die Digitalisierung gehört zu den Hauptthemen unserer Zeit. Die vertraute analoge Zeit scheint vorbei zu sein, und wer nicht digitalisiert, wird abgehängt. Dies gilt auch für die Ärzteschaft, die beim digitalen Umbau unseres arztzentrierten Gesundheitswesens eine führende Rolle spielen muss und nicht an der Seitenlinie stehen darf. Die Digitalisierung ist das Zukunftsthema, da die digitale Medizinkultur vermutlich alle Prozesse verändern wird und einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie und unter welchen Rahmenbedingungen wir in der Zukunft den ärztlichen Beruf ausüben werden.

Die Landesversammlung des bayerischen Hartmannbundes spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung sinnvoll und mit einem klaren und einheitlichen Konzept voranzutreiben. Die Digitalisierung und der damit auch ermöglichte Einsatz von künstlicher Intelligenz macht nur dann Sinn, wenn sowohl das Gesundheitssystem selbst, als auch PatientInnen und ÄrztInnen sowie auch die übrigen im Gesundheitswesen tätigen Berufe unmittelbar davon profitieren.

Grundsätzlich muss die Nutzung digitaler Geräte und die damit mögliche Produktion von großen Datenmengen in allen Anwendungsbereichen zu einer Vereinfachung und Vereinheitlichung von Dokumentations- und Verwaltungsvorgängen führen, keinesfalls darf ein Mehraufwand durch doppelte Arbeitsschritte entstehen.

Für die PatientInnen eröffnet sich die Chance, durch einen deutlich einfacheren direkten Zugriff auf Vorbefunde und durch die Entwicklung von Algorithmen die Diagnostik präziser und die medizinische Versorgung sicherer zu machen, Belastungen durch Doppeluntersuchungen zu vermeiden und künftig Krankheiten noch früher zu erkennen. Wir Ärzte erwarten auch, dass mit dem Einsatz digitaler Mittel eine viel nahtloserer Service und damit eine Optimierung des Versorgungssektors möglich ist.

Den sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie dem öffentlichen Gesundheitsdienst bietet eine konzeptuell durchdachte und sinnvoll vernetzte Digitalisierung den Vorteil, nicht nur rasch das vorbefundliche Profil des Patienten zu erfassen, sondern über die Telematik rasch und datenschutztechnisch sicher miteinander zu kommunizieren. Seit 2018 ist die Telematik-Infrastruktur (TI) nun in Betrieb, doch ist bisher als einzige Funktion das Versicherten-Stammdaten-Management realisiert. Dabei werden Verwaltungsarbeiten der Krankenkassen auf die Praxis der Niedergelassenen abgewälzt, ein medizinischer „Benefit“ für PatientInnen und ÄrztInnen bestand bislang nicht. Dies erklärt die bisher insgesamt schlechte Akzeptanz der TI.

Konkret fordern wir alle am Ausbau der TI beteiligten Stellen dazu auf, die weitere Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung nur in engem, partnerschaftlichen Austausch mit allen Betroffenen – auch nichtärztlichen Stellen wie Apotheken, Pflege, Physiotherapie etc. – vorzunehmen. Sinnvoll ist außerdem sich bei der Entwicklung, an bereits etablierten Strukturen zu orientieren. Besondere Beachtung verdienen auch der Datenschutz und die Fälschungssicherheit, schließlich handelt es sich um höchst vertrauliche Daten, die dem ärztlichen Berufsgeheimnis unterliegen – auch gegenüber dem Staat und den Polizeibehörden.

Im Rahmen einer bislang vernachlässigten Versorgungsforschung muss der Digitalisierungs-Prozess kontinuierlich evaluiert werden. Um aufwendige Nachbesserungen zu vermeiden, sollten regionale und zeitlich begrenzte Erprobungen bzw. Pilotprojekte erwogen werden.

Zum Zeitpunkt des Innkrafttretens von Gesetzen und Verordnungen muss gewährleistet werden, dass alle notwendigen Voraussetzungen konfliktfrei erfüllt werden können (Bsp. eHBA nicht zeitnah lieferbar).

Weiterhin ist sicherzustellen, dass nicht nur die Erstausstattung mit der erforderlichen Hardware, sondern auch der laufende Betrieb sowie in Zukunft erforderliche Ersatz- Beschaffungen von TI-Komponenten für die beteiligten medizinischen Einrichtungen kostenneutral erfolgen.

Ein weiterer Aspekt ist die Vergütung: Mit der Implementierung weiterer Funktionen wird sich ein verstärkter Gesprächsbedarf mit den PatientInnen und ein zusätzlicher Verwaltungs­aufwand für die Datenpflege in der TI ergeben, auch dies muss entsprechend vergütet werden.

18. September 2021