Hartmannbund LV Hessen fordert Verzicht auf Bürgerversicherung

Das Gesundheitswesen ist eines der wichtigen Reformanliegen der politischen Parteien im Bundestagswahlkampf. Es werden von mehreren Parteien eine Bürgerversicherung beworben und als die Zukunft sichernde Lösung angepriesen. Dabei werden kollaterale Schäden an der Erlösstruktur medizinischer Einrichtungen und den konsekutiven Auswirkungen auf die Dichte der Versorgungeinrichtungen bis hin zur Alterssicherung systematisch ausgeblendet. Die Bürgerversicherung hat das Potenzial analog zu früheren Jahrhundertreformen im Orkus zu verschwinden. Deshalb fordert der Hartmannbund auf das Experiment Bürgerversicherung zu verzichten und stattdessen das bewährte zweigliedrige Krankenversicherungssystem weiterzuentwickeln.

Begründung:
Wenn weitreichende Modifikationen an bewährten Strukturen vorgenommen werden sollen, dann ist es erforderlich, frühzeitig in einen an sachlichen Erwägungen orientierten und von Ideologien freien Diskurs einzutreten. Dazu möchte der Hartmannbund einen Beitrag leisten. Systematische Untersuchungen zur Bürgerversicherung blenden kollaterale Wirkungen auf die sozialen Systeme aus und stellen die positiven Aspekte in den Vordergrund. Die Handschrift der jeweiligen Auftraggeber ist in den unterschiedlichen Gutachtern unschwer erkennbar.

Die Bürgerversicherung führt zu Erlösminderungen im gesamten Gesundheitssystem. Die durch die Bürgerversicherung bewirkten Absenkungen der Honorarvolumina entfalten ihre Wirkung u.a. auf Ärzte, Krankenhäuser, Zahnärzte, Apotheker aber auch die Heilmittelerbringer. In direkter Folge werden bestehende und benötigte Versorgungseinrichtungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht fortgeführt werden können. Für Patienten entstehen dann längere Wege und auch längere Wartezeiten. Einer der großen Vorzüge des deutschen Gesundheitswesens die zeitnahe und niedrigschwellige Versorgung für alle Versicherten wird für eine ideologisch getriebene Reform geopfert. Falls jedoch eine Garantie der Erlöse in der bisherigen Höhe gegeben werden sollte, dann sind besonders die Einrichtungen negativ tangiert, die überdurchschnittlich viele privat Versicherte und Selbstzahler behandeln. Die öffentliche Hand und auch die Arbeitgeber werden durch Mehrkosten für die paritätisch finanzierte Kranken- und Pflegeversicherung belastet, weil Beiträge zur GKV der arbeitenden Bevölkerung für den betroffenen Personenkreis regelmäßig höher ausfallen als für eine private Krankenversicherung.

Die Verbeitragung aller Einkunftsarten und das Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten wirkt sich auch negativ auf den Personenkreis aus, der zur Alterssicherung auf Kapitalerträge und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesetzt hat. Zusätzlich zum niedrigen Zinsniveau und der Steuerlast wären dann weitere 20 Prozent des Erlöses für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten. Die zusätzliche Absicherung durch Aufbau von privatem Vermögen ist eine wichtige Säule für die Schließung von Versorgungslücken im Alter. Der Staat hat immer wieder entsprechende Apelle an die Bevölkerung gerichtet und teilweise auch Anreize zur Vermögensbildung geschaffen. Eine ungeplante zusätzliche Belastung in dieser Höhe hat direkte schädliche Auswirkungen auf die finanzielle Absicherung im Alter für weite Kreise der Bevölkerung, besonders aber für Freiberufler, die traditionell besonders von der privaten Alterssicherung Gebrauch machen.

Zwei Gute Gründe um der Bürgerversicherung eine Absage zu erteilen und am bewährten Versorgungssystem auch im Sinne des Vertrauensschutzes festzuhalten.

Frankfurt, September 2021