Stärkung der Führung und Verantwortung durch ärztliche Kompetenz in der Organisation des ÖGD und Verbesserung der Vernetzung zwischen den ÖGD-Strukturen

Die Landesdelegiertenversammlung des Hartmannbund Baden-Württemberg fordert die politisch Verantwortlichen im Land auf, die Strukturen des ÖGD auf kommunaler Ebene und auf Landesebene auf den Prüfstand zu stellen und auszubauen. Es müssen überregional konsentierte organisatorische Eckpunkte für personelle Ausstattung, Führungsorganisation, Berichtswesen und digitale Vernetzung festgelegt werden.

Um die ärztliche Führung und Verantwortung im ÖGD weiter auszubauen und durch ärztliche Kompetenz zu stärken, benötigt der ÖGD eine verpflichtend festgelegte Mindestanzahl ärztlicher Planstellen und Stellen, die durch Fachärzte für Öffentliches Gesundheitswesen (Amtsärzte) besetzt werden können. Es darf nicht mit der Argumentation mangelnder ärztlicher Bewerberinnen und Bewerber zur Umwidmung ärztlicher Stellen im ÖGD in Stellen für andere Gesundheitsberufe oder medizinferner Berufe kommen. Im Rahmen des Paktes für den ÖGD muss eine wesentliche Zahl der neu einzurichtenden Stellen per verpflichtendem Personalschlüssel dezidiert für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden.

Die Vergütung der ärztlichen Tätigkeit im ÖGD muss sich an den arztspezifischen Tarifverträgen (TV-Ärzte) incl. Überstundenregelung der Kliniken orientieren. Ein möglicher Umstieg von Kolleginnen und Kollegen aus der Klinik oder auch Praxis darf nicht an der bestehenden Tarifdifferenz scheitern.

Organisatorisch müssen im ÖGD gute Aufstiegsoptionen für Ärztinnen und Ärzte ermöglicht werden. Es sollte regelhaft gewährleistet sein, dass Dezernate in Landkreisen und kreisfreien Städten auf Gesundheitsthemen fokussiert werden und somit auch ärztlich geleitet werden. Grundsätzlich sollten Ärztinnen und Ärzte organisatorisch und fachlich von Ärztinnen und Ärzten geführt werden. Für angestellte Ärztinnen und Ärzte muss selbstverständlich auch bei Übernahme von Führungs- und Organisationspositionen ein Verbleib in den ärztlichen Versorgungswerken gesichert werden.

Alle medizinischen Fakultäten müssen mit Lehrstühlen oder Instituten für das öffentliche Gesundheitswesen ausgestattet werden. Dies ist die Basis für eine bessere Forschung, Lehre und wissenschaftliche Profilbildung. Mit der Verankerung im Medizinstudium und in den Lernzielen wird der ÖGD von den Studierenden positiv wahrgenommen und kann wissenschaftliche Entwicklungsoptionen anbieten. Die Weiterbildung zum Facharzt ÖGW muss auch über Weiterbildungsverbünde möglich sein.

Eine überregionale Zusammenarbeit sollte im ÖGD durch eine digitale Vernetzung mit Hilfe von kompatiblen IT-Systemen und problemfrei nutzbare Schnittstellen ermöglicht werden. Die Berichterstattung sollte in einem einheitlichen System erfolgen, um rasche Zusammenfassungen der Ergebnisse auf einer überregionalen Plattform zu ermöglichen. Eine Koordinierung der regionalen ÖGD-Arbeit und die Aggregierung ihrer Ergebnisse sollte auf Landes- und Bundesebene erfolgen, ohne weisungsgebend auf die föderalen Strukturen einzuwirken.

 

Begründung:

 Die Pandemiesituation zeigt, dass die sehr unterschiedliche Organisation des ÖGD in der rein kommunalen Verantwortung ein koordiniertes Vorgehen erschwert. Die personelle Ausstattung ist sehr different und Ärztinnen und Ärzte haben in der Regel keine Führungsverantwortung. Die personelle, aber auch „technische“ speziell digitale Ausstattung hängt von den finanziellen Möglichkeiten und Schwerpunktsetzungen der Landkreise und kreisfreien Städten ab.

Bereits vor Eintritt in die Pandemie hatte die Ärzteschaft schon seit langem auf die sehr problematische strukturelle und personelle Situation im ÖGD hingewiesen. Mit Eintritt in die Pandemie wird die Überlastung des ÖGD nun endlich auch politisch wahrgenommen. Der Einsatz in der Eingrenzung der Pandemie durch die Aufdeckung der Infektionsketten ist nur mit dem herausragenden Einsatz aller Kräfte im ÖGD gelungen. Reguläre Aufgaben des ÖGD wie z.B. Schuluntersuchungen sind seit Monaten nahezu komplett eingestellt.

Jetzt stehen 4 Mrd. Euro im Pakt für den ÖGD seit Monaten zur Verfügung. Diese Chance muss umgehend für eine nachhaltige Verbesserung genutzt werden.