Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes

In diesem Jahr verleihen wir nun zum 52sten Mal den Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes. Geehrt werden damit Spiel- oder Fernsehfilme beziehungsweise Beiträge, die aktuelle Themen und Probleme der Ärzt:innen und Patient:innen überzeugend darstellen. So waren Themen bisheriger Preisträger:innen z. B. die Palliativmedizin, seltene Krankheiten, die Arzt-Patienten-Kommunikation, problematische Entwicklungen im Pharma- und Medizinproduktebereich, der Ärztemangel und sogar eine Spezial-Folge aus der „Sendung mit der Maus“ mit dem Thema „Die unsichtbare Krankheit“ war mit dabei.

2021 beeindruckte die vierteilige Dokuserie „Charité Intensiv – Station 43“, die einen Winter lang die Mitarbeiter:innen und Patient:innen auf der Intensivstation der Berliner Charité auf dem Höhepunkt der zweiten Pandemie-Welle begleitete. „Der Bluttest – Entscheidungsdrama vor der Geburt“ war der Gewinnerbeitrag 2022 und spiegelte eindrucksvoll die Schwere der Entscheidung zwischen Leben und Tod des eigenen, ungeborenen Kindes. „My doctor’s life – Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt“ wurde im vergangenen Jahr ausgezeichnet. Der Film hat einmal mehr gezeigt, wie sehr die medizinische und pflegerische Versorgung in Deutschlands Krankenhäusern auf Kante genäht ist.

Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes 2024

Die Filmemacherinnen Valerie Henschel und Anabel Münstermann sind am 8. November 2024 im Rahmen der Hauptversammlung des Hartmannbundes mit dem diesjährigen Film- und Fernsehpreis für „Karrierekiller Kind? Wenn Ärztinnen nach oben wollen“ (WDR) ausgezeichnet worden. Aus 29 eingesandten Beiträgen ist die bemerkenswerte Dokumentation von einer Fachjury ausgewählt worden.

Die Begründung der Jury:

Lange, unflexible Arbeitszeiten und fehlende Betreuungsmöglichkeiten – für viele Ärztinnen ist es noch immer schwer, den Spagat zwischen Kind und Karriere zu schaffen. Nur etwa 13 Prozent aller Führungspositionen an deutschen Kliniken sind derzeit von Frauen besetzt. Die Autorinnen Valerie Henschel und Anabel Münstermann haben für „Karrierekiller Kind? Wenn Ärztinnen nach oben wollen“ (WDR) ihre Protagonistinnen Irina, Alica und Nuray über einen längeren Zeitraum hinweg in ihrem Berufsleben an Universitätskliniken und in ihrem Privatleben begleitet und ihre Ängste, aber auch Erfolge dokumentiert. Dabei gewähren sie einen ungeschönten Blick auf die „Fehler im System“ und kommen gleichermaßen ohne unnötige Dramatisierungen und oberflächliche Schuldzuweisungen aus.

Das Thema ist hochaktuell: Schon heute ist die Hälfte der Ärzteschaft weiblich, rund 65 Prozent der Studierenden sind weiblich, Tendenz steigend. Unaufgeregt zeigt der Film die Herausforderung von Ärztinnen während der Weiterbildung und für Karrierewege. Statt nur zu problematisieren, wählen die Filmemacherinnen einen konstruktiven und positiven Ansatz: Sie zeigen Lösungen auf – wie zum Beispiel das Jobsharing. Die Akteurinnen werden so zu „Role Models“ für eine ganze Ärztinnengeneration. Gleichzeitig wird das Spannungsfeld „Kind oder Kittel“ nicht bagatellisiert, die Doku liefert somit auch eine politische Botschaft.

Beeindruckend ist, wie sich die drei Protagonistinnen nicht so leicht „aus der Bahn“ werfen lassen und vermeintliche Niederlagen als neue Chance für sich begreifen. Auch wenn es mit einer Stelle nicht klappt, geht es unverbissen weiter, denn neue Projekte stehen an. Nuray ist inmitten ihrer Ausbildung zur Fachärztin, als sie von ihrer Schwangerschaft erfährt. „Ich bekomme Kind und Karriere schon geschaukelt“, ist sie nach anfänglicher Unsicherheit überzeugt. Diese unerwartete Wendung in ihrem Leben habe ihr vielleicht sogar gutgetan. Der Weg sei das Ziel, es gehe nicht darum Karriere-Checklisten abzuhaken.

Zu den eigenen Entscheidungen stehen und positiv neues Terrain betreten, so ist die Einstellung von Irina, Alica und Nuray. Die Dokumentation der Längengrad Filmproduktion zeigt ihre große Wirkung insbesondere im starken Zusammenhalt der Ärztinnen: Ihr Wunsch – andere Frauen zu unterstützen und Mut zu machen, damit es weiter in die richtige Richtung geht.

Der Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes wurde 1966 als ideeller Preis gestiftet. Er soll einen Ansporn setzen, dass die großen, mit dem lebenden Bild arbeitenden Massenmedien in ihrer Darstellung der Wirklichkeit ärztlichen Handelns Rechnung tragen. Der Jury gehören an: Renate Werner – Filmemacherin und Journalistin, Carl Gierstorfer – Dokumentarfilmer und Grimme-Preisträger, Denis Nößler – Chefredakteur der Ärzte Zeitung, Hajo Zenker – gesundheitspolitischer Korrespondent der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft mbH und Prof. Dr. Markus Lehmkuhl – Experte für Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien.

Sie können den Film auch HIER in der ARD-Mediathek anschauen.

 

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2023 Auszeichnung für „My doctor’s life – Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt“ (HR)

Ärztin Stefanie Minkley und Filmautorin Antonella Berta sind 2023 mit dem Film- und Fernsehpreis für „My doctor’s life – Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt“ (Hessischer Rundfunk) ausgezeichnet worden. Aus 37 eingesandten Beiträgen wurde die bemerkenswerte Dokumentation ausgewählt.

Die Begründung der Jury:

„Mehr Authentizität geht wohl kaum: Mutig und entschlossen legt ‚My doctor’s life – Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt‘ die Missstände und personellen Überforderungen im Klinikalltag ungeschminkt offen. Stefanie Minkley zieht die Konsequenz, den Beruf an den Nagel zu hängen – nach sechs Jahren Facharztausbildung. Es ist die Geschichte einer jungen Ärztin, die mit vielen Hoffnungen und Anstrengungen ihren Traumberuf ergreift und dann an der Realität scheitert. Der Film zeigt einmal mehr, wie sehr die medizinische und pflegerische Versorgung in Deutschlands Krankenhäusern auf Kante genäht ist.

Die ständige Ausbeutung eigener Kraft – wir erfahren unmittelbar anhand ihrer selbst gefilmten Handybilder, was es heißt als Krankenhausärztin im Einsatz zu sein, immer in Bereitschaft. Minkleys Atemlosigkeit ist deutlich spürbar, wenn Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und der Gang zur Toilette zu einem kostbaren Gut im klinischen Alltag werden. Dabei zeigt sie sich überaus ehrlich in ihren Selbstzweifeln und Wünschen. Ihr mangelt es nicht an Motivation und Leistungsbereitschaft, den ärztlichen Beruf auszufüllen. Es ist ein Systemversagen, das sich für sie ganz konkret in stetigem Zeitdruck, einer zu hohen Arbeitsbelastung und fehlender Wertschätzung zeigt und fast schon zwangsläufig zum Ausstieg führt. Sie benennt klar die Mängel und klammert dabei auch unbequeme Themen wie dominierende patriarchale Strukturen und Profitorientierung nicht aus.

Autorin Antonella Berta hat trotz abgelehnter Drehgenehmigungen daran festgehalten, dass es diese Perspektive wert ist, erzählt zu werden. Sie gibt ihrer Protagonistin den Freiraum, eine unverstellte Innenansicht des Gesundheitssystems zu teilen, die sonst der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Die rohe Machart zieht den Zusehenden schnell ins Geschehen. Die visuelle Umsetzung tritt hinter dem Inhalt zurück. Echt und uneitel: Das Wackeln der subjektiven Handykamera wird zum Stilmittel. Die Bilder, die die Anmutung von Rohmaterial – ungeschnittenem Filmmaterial – haben, brechen mit den Sehgewohnheiten auf Hochglanz polierter Dokumentationen und vermitteln Authentizität und Nähe. Die Bilder sprechen für sich, wenn die sichtlich erschöpfte Ärztin darüber spricht, mit wie wenig Schlaf sie Patientinnen und Patienten versorgen muss.

Der Film zeigt zudem, dass sich junge Menschen nicht auf das Thema Work-Life-Balance reduzieren lassen. Im Gegenteil: Die Protagonistin steigt aus, um einzusteigen und in erster Reihe dort mitzustreiten, wo es darum geht, die Zustände zu verändern. Minkley wendet sich am Ende nicht ab, sondern wechselt mit ihrer Mission auf die Seite der Politik. Das ist glaubwürdig und könnte dazu führen, vom Reden ins Machen zu kommen. Es wäre dem System zu wünschen. Das ‚Tagebuch einer Ärztin, die aussteigt‘ empowert die Zusehenden gegen Widerstände mit vermeintlich unveränderbaren Gewissheiten zu brechen und sich aktiv für Veränderung einzusetzen. Ein Film mit Nachhall, der den Respekt für die medizinischen und pflegerischen Berufe stärkt!“

Die Dokumentation können Sie sich HIER in der ARD-Mediathek anschauen.

 

2022 Auszeichnung für „Der Bluttest: Entscheidungsdrama vor der Geburt“ (WDR)

Filmautorin Ilka aus der Mark ist am 11. November 2022 im Rahmen der Hauptversammlung des Hartmannbundes mit dem diesjährigen Film- und Fernsehpreis für „Der Bluttest: Entscheidungsdrama vor der Geburt“ (WDR) ausgezeichnet worden. Aus 29 eingesandten Beiträgen ist die bemerkenswerte Dokumentation von einer Fachjury ausgewählt worden.

Die Begründung der Jury:

„Der Bluttest: Entscheidungsdrama vor der Geburt“ legt den Finger in die Wunde: Seit kurzem werden die Kosten für Pränataltests auf Trisomie von den gesetzlichen Kassen übernommen. Doch sind wir darauf vorbereitet? Was ist nötig, um dieser neuen Dimension der Schwangerschaftsvorsorge gerecht zu werden? Filmautorin Ilka aus der Mark zeigt in ihrer Dokumentation schonungslos, woran es fehlt – an allem: an intensiver Aufklärung, einer adäquaten Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen, einer ernsthaften Diskussion über Inklusion und auch an einer angemessenen Vergütung von Beratungsleistungen.

Dabei nähert sie sich mit äußerster Behutsamkeit der komplexen Thematik an. Ilka aus der Mark rückt die werdenden Eltern in den Fokus und lässt Ihnen dabei trotzdem genügend Freiraum. Sie erzählt unaufgeregt und empathisch. Der Zuschauer spürt die innere Zerrissenheit, das Hadern mit der anstehenden Entscheidung, das Gefühl des Alleingelassen-Seins. Sollen sie ein Kind mit Behinderung bekommen oder nicht? Dabei werden die persönlichen Geschichten immer wieder durch wichtige Aspekte ergänzt: Wie reagiert die Gesellschaft? An welcher Stelle muss nachjustiert werden? Die Unsicherheiten sind groß, auf allen Seiten. Das wird auch in den Gesprächen mit Ärzten, Ethikern und Politikern deutlich – fernab von vorformulierten Statements gelingt es, die ehrlichen Zweifel der Beteiligten in den Interviews einzufangen.

An dieser Stelle enden manche Formate – ein Dilemma ohne Perspektive. „Bluttest“ zeigt hingegen, wie es anders gehen kann, so zum Beispiel in den Niederlanden. Hier wird auf mehr interprofessionelle Beratung gesetzt. Die Autorin belässt es nicht bei einem Off-Text, sondern schaut sich mit ihrem Team vor Ort um. Und auch in Deutschland findet in einigen Kliniken ein Umdenken statt – ein Silberstreif am Horizont. Die Art und Weise, wie eine Protagonistin mit Down-Syndrom eingeführt wird, ist erfrischend. Sie ist eine weitsichtige Streiterin für ihre eigene Sache. Damit geht es letztendlich in der Dokumentation vielmehr um die gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit Behinderung und weniger um die befürchtete Suche nach dem perfekten Kind.

Ilka aus der Mark leistet einen wichtigen, unvoreingenommenen Beitrag zur Meinungsbildung und wirft Fragestellungen auf, die in Zukunft immens an Relevanz gewinnen. Der medizinische Fortschritt hat den gesellschaftlichen Diskurs längst eingeholt, wenn nicht sogar überholt. Heute fahndet man nach Menschen mit Trisomien. Wonach fahndet man morgen? Der für den WDR produzierte 44-Minüter der Längengrad Filmproduktion bietet einen Vorgeschmack auf das, was uns möglicherweise mit bereits in Zulassung befindlichen Tests (Gensequenzierung, Disease Interception etc.) bevorsteht.

Hier geht es zur Dokumentation in der ARD-Mediathek


2021 Auszeichnung für „Charité intensiv: Station 43“ (rbb)

Ilka aus der Mark wurde 2020 mit dem Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes für „Hiobsbotschaft – Wie Ärzte um die richtigen Worte ringen“ (WDR) ausgezeichnet.

In „Hiobsbotschaft“ geht es um ein hier und da verdrängtes Kernproblem der Medizin: Wird sie – trotz allen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts und umfangreicher Qualitätsüberprüfungen – den Bedürfnissen der Patienten gerecht? Der Klinik- und Praxisalltag ist auf Effizienz getrimmt und bietet weder ausreichend Zeit noch Anreize für intensive Patienten-Gespräche. Der Film verdeutlicht dies anhand von Schicksalen und mutmachenden Projekten für eine bessere Kommunikation. Die Autorin hat dafür über ein Jahr lang recherchiert – mit Patienten, Ärzten, Medizinstudierenden, Ethikern und Seelsorgern gesprochen. Behutsam zeigt sie die Ursachen des Dilemmas auf. (Foto: Christoph Goldbeck)

Aus der Begründung der Jury:

„Ilka aus der Mark hat aus dem wichtigen medizinischen Dauerthema, dem Stellenwert der sprechenden Medizin, einen Film gemacht, der sich vor allem durch ein erstaunliches Fingerspitzengefühl für die ProtagonistInnen hervorhebt. Sie sind nicht nur Stichwortgeber bzw. Beispiele, um Statistiken zu belegen, sie erhalten Raum und Platz für ihre Anliegen. Sie stellt zudem eine außergewöhnliche Nähe zu den Ärztinnen und Ärzten her, die ihr am Ende selbstkritische und sehr persönliche Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt gewähren. Diese Nähe ist das eigentliche Pfund der Dokumentation, sie baut hierdurch eine außergewöhnliche dramaturgische Spannung auf und macht den Film damit so einzigartig. Die Autorin geht immer wieder auf die Einzelschicksale ein, verbindet diese mit dem Kommunikations-Training der jungen Mediziner, zeigt Fortschritte auf – alles sachlich und dennoch sehr berührend. Darüber hinaus klagt der Film zu keinem Zeitpunkt an – im Gegenteil: Er greift die Probleme stets unvoreingenommen auf, gibt Einblick in das ökonomische Spannungsfeld. Insbesondere die starke Schlusssequenz bleibt lange im Kopf, in der ein angehender Mediziner gefordert ist, eine „Hiobsbotschaft“ zu überbringen – ein Schicksalsschlag für den Patienten. Und dennoch steht über allem die Hoffnung, dass sich die Bedingungen in Zukunft zum Positiven verändern.“

Hiobsbotschaft – Wie Ärzte um die richtigen Worte ringen – Trailer from Längengrad Filmproduktion on Vimeo.


2019 Auszeichnung für „Die unsichtbare Krankheit“

Der Hartmannbund hat die Autorinnen Katja Engelhardt und Inka Friese für ihren Film „Die unsichtbare Krankheit“ aus der Reihe „Die Sendung mit der Maus“ mit seinem diesjährigen Film- und Fernsehpreis ausgezeichnet.

Der bemerkenswerte Film, produziert und ausgestrahlt im Jahr 2018, wurde aus 44 eingesandten Beiträgen ausgewählt. Er behandelt auf eine außerordentlich berührende Art und Weise das schwierige, oft tabuisierte Thema psychischer Erkrankungen bei Kindern: Warum bin ich so ängstlich, dass ich mich nicht mehr aus dem Haus traue? Weshalb muss ich mich immer streiten und schlagen? Und was macht mich so traurig? Obwohl psychische Erkrankungen bei Kindern gut erforscht sind, können medizinische Lehrbücher Kindern nicht erklären, was mit ihnen los ist. Umso wichtiger ist es, auf die Folgen einer vernachlässigten Psyche aufmerksam zu machen, aber auch, dass es Hilfe gibt. „Die unsichtbare Krankheit“ haben die beiden Autorinnen ihren Beitrag genannt und damit – speziell für Kinder – Licht ins Dunkel gebracht. 

Begründung der Jury

„Den Autorinnen ist es gelungen, ihr junges Publikum mit Cartoons, treffenden Vergleichen und einfühlsamen Geschichten zu erreichen und ihm verständlich zu machen, was hinter der „unsichtbaren Krankheit“ steckt. Die Botschaft: Es lohnt sich, den Umgang mit Gefühlen und Gedanken zu erlernen. Ein Mutmacher!“, so der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, in seiner Rede.


2019 Sonderpreis für „Charité“ (II)

Zusätzlich zum Hauptpreis hat der Hartmannbund in diesem Jahr zudem einen Sonderpreis vergeben: Dieser geht an die beiden Drehbuchautorinnen Dorothee Schön und Dr. Sabine Thor-Wiedemann, für die zweite Staffel der Serie „Charité“, die das Publikum zwei Jahre nach der ersten Staffel in ein dunkles Kapitel der Medizingeschichte führt: Wie war es in Zeiten von Diktatur, Judenverfolgung, Rassenideologie und Euthanasie möglich, den Grundsätzen ärztlicher Ethik zu folgen? Ein besonderes Verdienst der Drehbuchautorinnen ist einerseits ihre medizingeschichtliche Treue und andererseits das exzellente Herausarbeiten der Charaktere. Bei ihren umfangreichen und sorgfältigen Recherchen ist es ihnen sogar gelungen, neue Quellen zu entdecken und zu erschließen. Mit der Entdeckung des Tagebuchs des französischen Arztes Adolphe Jung, der in den letzten Kriegsjahren als Sauerbruchs engster Mitarbeiter in der Charité tätig war, haben sie das historische Bild des Berliner Chirurgen um eine wertvolle Quelle bereichert.

Begründung der Jury

Dr. Klaus Reinhardt: „Nicht zuletzt haben uns die Autorinnen daran erinnert: Die Medizin von heute hat ihre Wurzeln in der Medizin von gestern und vorgestern, aus der wir immer noch viel lernen können. Und sie haben gezeigt: Medizin und ihre Historie sind durchaus spannende Stoffe für die niveauvolle Unterhaltung eines Millionenpublikums.“


2018
Film „Sterben verboten? Wie Hightech-Medizin den Tod verändert“ des WDR

Begründung der Jury

Der Film, erstmalig ausgestrahlt im Dezember 2017 in der ARD, wurde vom WDR produziert und aus 45 eingesandten Beiträgen ausgewählt. Er greift ein hochaktuelles Thema auf, die Behandlung von schwerstkranken Patienten – zwischen Ethik und Ökonomie, zwischen Übertherapie und Mangel an gemeinsamen Gesprächen, an Aufklärung und an Entscheidungen, und er stellt die Rolle der Hochleistungsmedizin mit vielen Details in Frage. Der Film macht aber auch Mut, zeigt an verschiedenen Beispielen Alternativen auf, auch, was engagierte Ärzte und Patientenbetreuer erreichen können, wenn sie den absurden Kreislauf zwischen Altenheimen und Akutkrankenhäusern unterbrechen und übliche Vorgänge hinterfragen. Und er ermutigt zu einem „liebevollen Unterlassen“, zu einer Medizin, die das Zuhören wiederentdeckt.

Die veränderten Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und die wachsende Bedeutung ökonomischer Vorgaben führen zunehmend dazu, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrem Arbeitsalltag in einen Konflikt zwischen Patientenwohl und ökonomischen Anforderungen und Rahmensetzungen geraten. Dieser Konflikt zwischen Berufsethos und Berufsalltag ist für jede Ärztin, jeden Arzt nur schwer zu ertragen. Wie schwer wiegt er aber für die Betroffenen und deren Angehörige? Es geht nicht nur um Evidenzbasiertheit und Ressourcennutzung, es geht auch um Menschlichkeit“, so der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, in seiner Rede.

Der Film hat die Jury zudem durch seine gelungene Dramaturgie und seine Bilder durch die außergewöhnlich sensible Kameraführung von Norbert Schick, zusammen mit Sabine Filser, überzeugt. Die Jury stellt berührt fest: Dieser Film geht unter die Haut, er löst viele Gedanken und Gespräche aus, die wichtig und notwendig sind, aber meistens verdrängt oder aufgeschoben werden. Dieser Film war überfällig. Er geht uns alle an. Der Autorin ist mit dem Film ein weiteres Meisterwerk gelungen. Renate Werner ist eine exzellente Kennerin des Gesundheitswesens. Sie beleuchtet die verschiedenen Facetten und falschen Anreize, die zu Fehlentwicklungen geführt haben. Dazu gehört auch der Druck von Angehörigen auf Ärzte, nichts unversucht zu lassen. Ihr Film ist nie einseitig, nie anklagend. Und sie scheut keine heiklen Fragen und klaren Aussagen.

Videobotschaft des Jury-Mitglieds Dr. Eckhart von Hirschhausen:


2017
Film „Der unsichtbare Feind – Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken“ des NDR

Begründung der Jury

Der Film, erstmalig ausgestrahlt im Mai 2017, wurde aus 36 eingesendeten Beiträgen ausgewählt und geht den zunehmenden Antibiotikaresistenzen auf den Grund. Jedes Jahr sterben weltweit, mit steigender Tendenz, rund 700.000 Menschen an den Folgen von Infektionen mit multiresistenten Keimen. Die Erreger immer gefährlicher und die Waffen immer stumpfer.

Neben der ungezielten und unsachgemäßen Anwendung von Antibiotika trägt auch die Herstellung von Antibiotika, das zeigt die Dokumentation in erschreckendem Maße, zur Ausbildung von Resistenzen bei. Die haben über den „unsichtbaren Feind“ nicht nur eine packende Story gemacht, sondern, gemeinsam mit Infektionsexperten, selbst den Beweis geführt, dass Abwässer in Indien verseucht und somit eine erhebliche Gefahr für die Menschen vor Ort und in der ganzen Welt sind. Jeder geschwächte Patient ist potentiell gefährdet.

Der Film zeigt schwere Schicksale und erklärt anschaulich die Mechanismen, derer sich der „unsichtbare Feind“ bedient. Und die Journalisten suchen nach Verantwortlichen. Antibiotika-Hersteller wiegeln ab. Pharmafirmen, ihre Auftraggeber, und die Politik verweisen auf internationale Regeln. Am Ende ist es der Kostendruck im Gesundheitswesen, dem die billige und unkontrollierte Produktion von Arzneimitteln in Schwellenländern geschuldet ist. Hier geht es zum Film.

Videobotschaft des Jury-Mitglieds Dr. Eckhart von Hirschhausen:

2016 Dokumentation „Gefährliche Bluttransfusionen – Was hilft gegen das Risiko?“ des SWR

Begründung der Jury

Fremdes Blut rettet Leben, birgt aber nicht nur durch unerkannte Infektionen erhebliche Risiken. Wissenschaftliche Studien sprechen dafür, dass der Immunschock fremder Blutzellen Komplikationen nach der Operation sowie Krebserkrankungen begünstigt. Doch werden aus diesen Erkenntnissen alle notwendigen Konsequenzen gezogen? Wird alles getan, um die Risiken für Patienten zu minimieren? Wie sorgsam ist eigentlich der Umgang mit dem „Risikogut Blut“?

Die Autorin Ulrike Gehring hat dieses brisante Thema mit großem Engagement aufgegriffen und erfolgreich umgesetzt. Ihr ist ein inhaltlich wie journalistisch sehr guter Film gelungen. Es gibt eine klare Dramaturgie, die den sorglosen Umgang mit dem Blut zum spannenden Leitfaden der Handlung macht. Ihr Fazit: Alle „blutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“, die es bereits seit Jahren gibt, „gerinnen“ vor dem Hintergrund von Ignoranz und Desinteresse der Politik, aber auch der Fachgesellschaften in Deutschland.

Ein Ärzteteam des Frankfurter Universitätsklinikums geht entschlossen gegen die eingefahrenen Praktiken vor, plädiert für ein konsequentes, sparsames Patient Blood Management und stellt sich damit gegen große Teile des hiesigen medizinischen Establishments. Erst die Präsentation ihrer Forschungsergebnisse auf einem Kongress in den USA sichert die nötige Aufmerksamkeit und Anerkennung, die nun auch immer mehr Patienten zu Gute kommen dürfte.

Die Dokumentation von Ulrike Gehring überzeugt durch ihren Spannungsbogen, die Tiefe der Recherche, sprachliche Brillanz und eindrückliche Bilder. Ein vitales Feature mit hoher medizinischer und gesellschaftlicher Relevanz.

Videobotschaft des Jury-Mitglieds Dr. Eckhart von Hirschhausen:

2015 Reportage „Der Arzt, der um die Ecke denkt“  aus der Sendereihe Menschen hautnah des WDR

Begründung der Jury

Die Autoren Jule Sommer und Udo Kilimann begleiten Patienten und Ärzte mit Empathie und unaufdringlicher Kameraführung. Exemplarisch weisen sie auf Defizite eines Gesundheitswesens hin, das zwar hochtechnisiert und mit großer Expertise ausgestattet ist, aber dennoch den Bedürfnissen von Patienten mit rätselhaften Erkrankungen nicht gerecht wird.

Die Betroffenen haben oft eine jahrelange Odyssee hinter sich; das Leben mit Beschwerden und der Ungewissheit ihrer Diagnose ist für sie zur Qual geworden. Der Film zeigt auf, wie Patienten neue Hoffnung schöpfen können, von ihrem Leiden befreit zu werden: durch einen „Arzt, der um die Ecke denkt“, der an einem gut ausgestatteten Diagnose-Zentrum gemeinsam mit Spezialisten die Ursachen von Beschwerden in mühsamer Detektivarbeit aufzuklären versucht – nicht immer mit Erfolg, aber immer mit großem Engagement. Klar wird auch: Für den Rundumblick braucht es mehr als ein Augenpaar, mehr als ein Hirn. Und kein Computer der Welt kann das besser als miteinander vernetzte Menschen.

Dem Film gelingt es, sein unermüdliches, völlig uneitles Bemühen um medizinische Aufklärung sowie die Probleme seiner verzweifelten Patienten hautnah einzufangen und als spannende „Detektivgeschichte“ zu vermitteln.

Videobotschaft des Jury-Mitglieds Dr. Eckhart von Hirschhausen:


2014
Reportage In letzter Sekunde – die Notfallretter von Ludwigshafen“ der Redaktion odysso des SWR

Begründung der Jury

Die Sendung „In letzter Sekunde – die Notfallretter von Ludwigshafen“ schildert spannend und anschaulich den Alltag in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen – von der akuten Versorgung Schwerstverletzter bis zur plastischen Chirurgie bei Fingerverletzungen. Sie verdeutlicht zudem, wie wichtig ein eingespieltes Notfall-Team ist und welcher hohe personelle und technische Aufwand für eine funktionierende Notfallmedizin betrieben werden muss, die jederzeit und sofort verfügbar ist.

Das Redaktionsteam des SWR-Wissenschaftsmagazins odysso begleitete Patienten, Ärzte und das Rettungsteam hautnah und zeichnete bewegende Geschichten auf, die von hohem Engagement, Teamgeist und Menschlichkeit der Notfallmediziner sowie dem Überlebenskampf der Patienten und ihrem individuellen Umgang mit ihrem Schicksal gekennzeichnet sind. Darüber hinaus werden wichtige fachliche Informationen anschaulich durch Animationen und Aufnahmen sowie präzise Moderationen vermittelt.

Eine über weite Strecken spannende Dramaturgie, eine interessante Kameraführung und der einfühlsame Umgang mit den Protagonisten machen diese Dokumentation zu einem hervorragenden Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der Notfallmedizin in Deutschland. Besonders hervorzuheben ist dabei das Zusammenspiel zwischen der Redaktion und den mitwirkenden Ärzten sowie die kreative Leistung der beiden Autoren Oliver Wittkowski und Hilmar Liebsch, durch die der Zuschauer die Notfallmedizin in besonderer Weise erleben darf.


2013
Reportage „Zuhause sterben von Renate Werner, eine Produktion des WDR

Begründung der Jury

Sechs Jahre nach der gesetzlichen Verankerung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) existiert noch keine flächendeckende Versorgung. Laut einer aktuellen Umfrage unter Ärzten und Pflegekräften in 212 Kliniken stirbt jeder zweite Schwerstkranke im Krankenhaus – eigentlich ein Ort der Heilung. Und laut Patientenschützern werden Schwerstkranke in ihren letzten zwei Lebensjahren zwischen Pflegeheim, Krankenhaus und Zuhause bis zu fünf Mal hin und hergeschoben. Genau hier sollen die SAPV-Teams ansetzen und das „Zuhause sterben“ ermöglichen. Doch nicht überall ist die Situation so vorbildlich wie zum Beispiel im Saarland. In Rheinland-Pfalz oder in Mecklenburg-Vorpommern ist SAPV überwiegend ein Fremdwort. In Köln endete die SAPV bis vor kurzem an den Rheinbrücken. Die Reportage zeigt, dass Deutschland mehr als 300 SAPV-Teams benötigt – aktuell gibt es gerade einmal knapp die Hälfte. In der Kinderpalliativmedizin sind es deutschlandweit nur elf mobile Teams – dabei müssten es vier Mal so viele sein. Warum ist es trotz des Anspruchs auf eine „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ immer noch nicht überall in Deutschland möglich, zuhause zu sterben? Was bedeutet das für Ärzte und Patienten? Und wer ist in der Verantwortung? Diese Fragen hat sich die Autorin gestellt, nach Antworten gesucht und diese auch gefunden. Für diese Arbeit bescheinigt die Jury des Film- und Fernsehpreises Bestnoten! Die Autorin hat nicht nur sorgfältig recherchiert und intensiv nachgefragt, sondern auch einen Missstand aufgedeckt. Sie hat ein brennendes Thema aufgegriffen, das bislang in den Medien wenig Beachtung gefunden hat. Behutsam hat sie Menschen beim Sterben begleitet, die Initiativen von Angehörigen und Ärzten aufgezeigt, die verzweifelt Abhilfe schaffen wollen, und mit Krankenkassen gesprochen, die für die Umsetzung des Gesetzes zuständig sind.


2012
Reportage „Der Nächste bitte! Warum Patienten ihren Arzt nicht verstehen“ aus der Reihe „exakt – Die Story„, eine Produktion des MDR

Begründung der Jury

Der Beitrag der Autoren Jana Lindner und Alexander Ihme beobachtet das Kommunikationsverhalten und den sprachlichen Umgang von Ärzten mit ihren Patienten und stellt dies kritisch in Frage. Ganz ohne Zeigefinger, sondern so offen und sachkundig, wie dies auch von den Medizinern erwartet wird. Der Film zeigt, es sind nicht nur die Einzelfälle, die zu einem Unverständnis von Patienten gegenüber ihren Ärzten führen, sondern die gesamte Branche pflegt eine antrainierte Fachsprache. Diese macht Sinn, erfährt der Zuschauer, beim Patienten aber führt sie oft zu fatalen Missverständnissen und kann dadurch die Behandlungsergebnisse beeinträchtigen. Der Film schafft ein Bewusstsein dafür, dass die Unzufriedenheit der Patienten im System selbst zu finden ist. An gut recherchierten, eindrucksvollen Beispielen, wie eine optimale Verständigung aussehen und was sie bewirken kann, fehlt es in diesem Beitrag ebenso wenig. Kurze Sequenzen, nachgestellte Szenen und Rollenspiele bereichern, es wird nicht spektakulär inszeniert, sondern so alltäglich wie möglich gefilmt, was dem Thema entspricht. Der Schnitt ist flott, zeitgemäß, was die Sehgewohnheiten angeht, und sprachlich präzise. Auch die An-Moderation vermittelt das Gefühl: „Dieses Thema geht uns alle an!“

Sonderpreis der Jury – Reportage „Gesundheitsrisiko Implantate: Versuchskaninchen Patient“ des WDR-Sendeformats „Monitor

Begründung der Jury

Der Beitrag von Ralph Hötte und Isabel Schayani zum riskanten, unzureichend geprüften Einsatz von Medizinprodukten in Deutschland deckt einen eklatanten Systemfehler im Gesundheitswesen auf: Die offensichtlich fehlende Überwachung für den Einsatz von metallenen Großkopfhüftprothesen, wie sie zu Tausenden implantiert werden, die in dem Beitrag exemplarisch für andere Medizinprodukte stehen. Gefährlicher Abrieb kann zum Teil in erheblichem Ausmaß Vergiftungen im Blut der Patienten erzeugen, wie die Praxis zeigt. Auf der Suche nach der Prüfungs- und Überwachungsinstanz von Medizinprodukten stoßen die akribisch recherchierenden Autoren von „Monitor“ auf mangelndes Problembewusstsein und blanke Ablehnung. Am Ende steht die Erkenntnis: Ein Prozess gegen den Hersteller ist zu riskant und die oberste Instanz, das Bundesgesundheitsministerium, sieht ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Vom Einzelfall bis zur Selbsthilfegruppe wird belegt, wie relevant das Thema in Zeiten einer alternden Bevölkerung ist und an Brisanz weiter zunimmt. Studien am Menschen sind scheinbar politisch gewollt.

Den Autoren des stimmig aufgebauten Films gebührt der „Sonderpreis der Jury“ für eine beharrliche Nachfrage bei der Aufdeckung eines menschenverachtenden Missstandes. Nicht zuletzt sind es die behandelnden Ärzte, die für die Konsequenzen mangelnder Überwachung zur Verantwortung gezogen werden. Auch sie müssen ein großes Interesse an einer „reibungslos funktionierenden“ Behandlung haben.


2011
Reportage „Immer mit Herzblut: Ärzte – niemals Feierabend“ aus der Reihe „37 Grad„, eine Gemeinschaftsproduktion von Spiegel TV und ZDF

Begründung der Jury

Hinter dem beziehungsreichen Titel verbirgt sich mehr als das Klischee vom engagierten und nimmermüden Menschenfreund. Der Autor Robert Wortmann schafft es, brennende politische Fragen der medizinischen Versorgung anhand zweier typischer Protagonisten unaufgeregt realistisch aufzuzeigen: Die blutjunge Herzchirurgin ist ebenso engagiert wie der Allgemeinmediziner im Rentenalter, fühlt sich aber in der Klinik, die ihr eine Familienplanung wohl nicht ermöglichen wird, genauso brutal ausgebeutet wie der Landarzt, der nicht aufhören darf, weil die Politik den Schwächen des Gesundheitssystems nichts entgegensetzt. Zukunftsplanung und Planungssicherheit sind sowohl beruflich als auch privat nicht mehr möglich. Der Sohn des Allgemeinarztes, der eigentlich die Praxis des Vaters hätte übernehmen können, versagt sich. Und die unglaublich hohen Ansprüche an eine Herzchirurgin mit Herzblut sind angesichts ihres Arbeitsalltags und ihrer Aussichten überhaupt kein Lockmittel, den nach wie vor hoch angesehenen Beruf des Arztes zu ergreifen. Dazu schafft eine Regelungswut des Gesetzgebers dem überlasteten Allgemeinmediziner immer mehr zusätzliche Arbeit am Schreibtisch. In klar voneinander getrennten Handlungssträngen lotst der Film den Zuschauer durch die medizinische Praxis zweier sehr unterschiedlicher Fachgebiete. In einprägsamer Bildsprache und pointierten Situationen wird packend erzählt, was die Demografie erwarten lässt. Es werden Fragen an die Politik gestellt, die genauso eine ethische Verantwortung für die Versorgungssicherheit der Patienten trägt. Ein starkes Stück in der 37-Grad-Reihe.


2010
Reportage Schaltet mich ab! Patientenverfügung im Ärztealltag“ von Renate Werner, eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks

Begründung der Jury

Die Autorin hat ein sehr sprödes Thema einem Praxistest im Klinikalltag unterzogen: die Patientenverfügung, wie sie seit Herbst 2009 rechtsgültig ist. Dabei greift sie schon in den ersten Minuten die entscheidenden Fragen pointiert auf, sodass kein Zweifel an der Stringenz der Reportage aufkommt und die Neugier auf jede weitere Minute geweckt ist. Die behutsame Vorgehensweise, todkranken Patienten mit der Kamera zu Leibe zu rücken, verdient besondere Erwähnung. Einer Journalistin diese Einblicke zu gestatten, zeugt von hohem Vertrauen. In allen gezeigten Stresssituationen der Ärzte, Schwestern und Pfleger kommt zum Ausdruck, wie ernsthaft das Marienhospital in Köln um einen verantwortlichen Umgang mit dem Todeswunsch seiner Patienten ringt. Persönliche Konflikte und Selbstzweifel der Ärzte zeigen dem Zuschauer indessen, wie wenig ein Patiententestament in der Praxis taugt, zumal, wenn es nicht fachgerecht abgefasst ist. Die hier beobachteten Ärzte und Krankenhausmitarbeiter zeigen sich an schnellen Lösungen gar nicht interessiert. Ein krankenhauseigenes Ethikkonsil sucht nach rechtskonformen, aber menschlichen Lösungen und begleitet die Mitarbeiter bei der Frage nach dem Wie, wenn es ums Abschiednehmen geht, bei jedem Patienten neu. So verlaufen auch in der Reportage alle drei gezeigten Fälle unterschiedlich. Am Ende stellt die Autorin treffend fest, dass sich jeder Arzt dem Patientenwillen nur annähern, ihn aber nie erfüllen könne. Eine große Empfehlung für alle, die es angeht.


2009
Spielfilm aus der Reihe „Tatort„: Der glückliche Tod“, eine Produktion des Südwestrundfunks

Begründung der Jury

Sterbehilfe ist ein aktuelles und schwieriges Thema – für die Medizin wie für die Gesellschaft. Sterbehilfe bei Kindern ist bislang ein Tabu. Ohne die Objektivität zu verlieren und in Klischees abzudriften, ist es in dem „Tatort“ gelungen, das komplexe Thema überzeugend und differenziert in einer packenden Krimihandlung umzusetzen. Der Zuschauer bleibt nachdenklich zurück. Es wird deutlich, dass in der Zulassung gewerblicher Sterbehilfe – schon wegen des kriminellen Missbrauchspotenzials – kaum die Lösung liegen kann. Dennoch ist es dem Autor gelungen, für keine der Positionen Partei zu ergreifen. Die gegensätzlichen Einstellungen zur Sterbehilfe werden durch die handelnden Personen vertreten: das Ermittler-Duo, Vertreter einer Sterbhilfe-Organisation, die Eltern eines todkranken Mädchens, das todkranke Mädchen selbst. Diese Rollen geben den exzellenten Schauspielern – allen voran Susanne Lothar als Mutter – die Möglichkeit, ihr Können voll zu entfalten. Zurück aber bleibt vor allem die Erinnerung an die wahrhaftige Auseinandersetzung der Kinder mit dem Tod. Dies zeigt, dass die Diskussion um Sterben und Tod in allen Bereichen des Lebens geführt werden muss.


2008
Sendung Was ist los mit dem Zappelphilipp?“, eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks aus der Reihe „Quarks & Co

Begründung der Jury

„Was ist los mit dem Zappelphilipp?“ – Die Beiträge über Kinder mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), dem so genannten „Zappelphilipp-Syndrom“, in der Reihe „Quarks & Co“ fügen sich zu einer gut komponierten Informationssendung. Die straffe Gliederung, die dem Zuschauer gleich zu Beginn die Komplexität des Krankheitsbildes nahebringt, macht neugierig. Dabei finden alle Beteiligten Berücksichtigung: Eltern und Kinder beschreibend, die pharmazeutische Industrie durch einleuchtend dargestellte Interessen an dem Krankheitsbild, aber auch die Herausforderung an Ärzte, Psychologen und Pädagogen. Anhand dessen wird deutlich: Ein unumstrittenes Rezept hat keiner. Selbst die Ursachenforschung steht noch am Anfang. Die Moderation verbindet die Blöcke erklärend, aber nicht wertend. Sowohl der Informations- als auch der Unterhaltungswert bleiben bis zum Ende auf hohem Niveau. Die Jury zeichnet besonders die Teamleistung von „Quarks & Co“ für die gelungene Umsetzung eines Themas aus, das immer noch von vielen Vorurteilen belegt ist.


2007
Dokumentation Schwester Tod – Mord auf der Intensivstation“, eine Produktion des Rundfunk Berlin-Brandenburg

Begründung der Jury

Im Mittelpunkt der Reportage „Schwester Tod – Mord auf der Intensivstation“ von Norbert Siegmund steht das Interview mit der Mörderin Irene B. im Frauengefängnis Berlin-Pankow. Der Autor bringt sie behutsam zum Sprechen, lässt ihr Zeit, ihre Gefühle und Beweggründe zu schildern, und nutzt diese Informationen, um den Klinikalltag auf der kardiologischen Intensivstation der Charité zu beleuchten. Mit spürbarer Distanz und Objektivität dokumentiert er die Mordfälle an den Patienten von 2005/2006 und schildert die Umstände, wie es dazu kommen konnte, dass Kollegen von Irene B. ihren Verdacht nicht meldeten. Die Reportage gewährt Einblicke in den hochtechnisierten Medizinbetrieb mit all seinen ökonomischen Zwängen und mangelhaften Kommunikationsstrukturen. Norbert Siegmund überlässt dem Zuschauer die Bewertung der Vorgänge, unterstützt durch die Einordnung eines Psychiaters, der mit Fällen der aktiven Sterbehilfe im Krankenhaus vertraut ist. Auch diese Einblendungen wirken zu keiner Zeit belehrend, sondern dienen primär der Orientierungshilfe bei diesem hochsensiblen Thema. Obwohl der Titel fast reißerisch klingt – „Schwester Tod“ – werden die beteiligten Personen und Institutionen nicht vorgeführt. Die Vielschichtigkeit der Reportage regt den Zuschauer vielmehr zum Nachdenken an.


2006
Doku-Serie Anfänger in Weiß“, eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks

Begründung der Jury

Es war die besondere Originalität der Idee, die die Jury zu ihrer Entscheidung bewogen hat. Die 12-teilige Dokumentation von Heiko Schäfer über junge Assistenzärzte im Elisabeth-Krankenhaus in Essen zeigt die menschliche Seite des Arztberufes, wie schwer und wie schön es ist, Arzt zu werden. Die Zuschauer begleiten sechs Jungmediziner durch ihren Arbeitsalltag und erleben die Unsicherheiten, Ängste und Erfolgserlebnisse der Anfänger in Weiß. Die Serie gewinnt dadurch eine hohe Authentizität. Das Verdienst des Autors liegt dabei besonders in der Motivation der Laiendarsteller, sie wirken alle unbefangen. Das sind nicht nur die Ärzte, es sind auch die Patienten und das Klinikpersonal. Bemerkenswert war die Bereitschaft der Klinikleitung, Einblick in den stressigen Alltag zu gewähren. Die Kameraführung wird nicht zuletzt deshalb extra gewürdigt, weil lebendige – nicht gestellte Situationen – quasi unwiederholbar, eingefangen wurden.


2004
Dokumentation „Sepsis – Killer im Blut“, eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks

2003 Film „Das Herz ist rot“, eine Produktion des Hessischen Rundfunks

2002 Vera Schmidberger für den Film „Doktor verzweifelt gesucht – Ärztemangel in Deutschland“

2001 Liz Wieskerstrauch für den Film „Die Seele brennt – Annäherung an eine multiple Persönlichkeit“

2000 Thomas Hallet und Michael Kumpfmüller für den Film Kalte Herzen“ aus der Reihe „Menschen hautnah

1998 Mirko Tomic als Autor des Films Den Tod im Blut“

1997 Armin Maiwald für seinen Film „Die Geschichte von Katharina“

1996 Herbert Biber als Autor und Regisseur für seinen Film Carité – Im Namen der Barmherzigkeit“

1995 Marianne Riedel als Autorin des Films „Geschenkte Zeit – Leben mit der fremden Niere“

1994 Felix Kuballa für seinen Beitrag Deutschlandbilder – Friederike S., 28, Diagnose: Multiple Sklerose“

1993 Bodo Witzke für seine Reportage „Unter Mördern, Priestern und Vergessenen – Über deutsche Ärzte in Kolumbien“

1992 Brigitte Weismann und Bernhard Töpper für ihren Film Wie würden Sie entscheiden? – Akute Lebensgefahr“

1991 Gero von Boehm als Autor des Films „Leben um jeden Preis – Ärzte gegen den Baby-Tod“

1990 Dr. Wolfgang Mühlbauer als Autor und Regisseur des Films Unsichtbare Mauern“

1988 Thomas Greulich für seinen Film Die letzten Tabus: Hämorriden“ gesendet im „Gesundheitsmagazin Praxis

1987 Dr. med. Gernot Eigler für Buch, Regie und Musik des Films Aranka“

1986 Manfred Teuber und Bernd Wiegmann als Autoren und Regisseure des Films „Eine Klinik im Schwarzwald“ aus der Reihe „Die Reportage

1985 Constantin Pauli als Regisseur und Autor des Films Die Arche im Pott“

1984 Gudrun Mainka als Autorin des Films „Multiple Sklerose“

1982 Dr. Paul Kersten als Regisseur und Autor des Films Die Traurigkeit, die töten kann – Haben Depressionen Heilchancen?“

1981 Gerd Böckmann als Hauptdarsteller des Films „Von einem Tag zum anderen“

1980 Gretl Brand als Autorin und Regisseurin des Films Schauplatz: Sprechstunde, Beobachtungen in einer Arztpraxis“

1979 Thomas Schamoni als Regisseur des Films „Platzangst“ aus der Reihe „Notsignale

1978 Eberhard Pieper als Autor und Regisseur Kleine bunte Freudenspender“

1977 Gero von Boehm für seine Fernsehdokumentation „Anarchie im Körper – Zum Stand der Krebsbekämpfung“

1976 Daniel Christoff für sein Fernsehspiel Der Tod vor dem Sterben“

1975 Heinar Kipphardt für sein Fernsehspiel „Das Leben des schizophrenen Dichters Alexander März“

1974 Wilma Kottusch für ihren Bericht Sterbehilfe – Mord oder Möglichkeit“

1972 Sigrid Schenkenberg für ihren Film „Ich hatte einen Herzinfarkt“ im Gesundheitsmagazin „Praxis

1971 Hans Mohl für seinen Beitrag Anruf bei Nacht“ im „Gesundheitsmagazin Praxis

1969 Lothar Seehaus für seinen Bericht „Ärzte in drei Ländern“

1968 Norbert Mai für die Studie XYZ – Der Arzt in Dichtung und Wahrheit“

1967 Horst Pillau als Autor des Films „Der Doktor.