Für ein stabiles und modernes Gesundheitssystem
Vor dem Hintergrund der Neuwahlen und der damit verbundenen zu erwartenden Diskontinuität zahlreicher gesundheitspolitischer Gesetzesvorhaben hat der Hartmannbund auf der vergangenen Hauptversammlung unter der Überschrift „Für ein stabiles und modernes Gesundheitssystem“ die Formulierung eines Kataloges von Grundsatzforderungen an eine künftige Regierung gestellt. Die Versammlung war sich einig, dass eine zügige Wiederherstellung politischer Handlungsfähigkeit angesichts der akuten Herausforderungen dringend notwendig sei. HIER finden Sie das Positionspapier als PDF!
Das Gesundheitssystem bedarf vor dem Hintergrund demografischer Herausforderungen, steigender Kosten, reformbedürftiger Versorgungsstrukturen und des Rückgangs ärztlicher Arbeitszeit mutiger Veränderungen. Ein effizienterer Einsatz der vorhandenen Ressourcen ist essentiell.
In diesem Sinne müssen folgende grundlegende Eckpunkte das politische Handeln künftig bestimmen:
Das Gesundheitssystem benötigt eine koordinierte Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen durch Patientinnen und Patienten, um der Diskrepanz zwischen begrenzter Verfügbarkeit von Leistungen und Ressourcen und steigendem Behandlungsbedarf zu begegnen. Das System muss aus Patientensicht leicht verständlich und einfach aufgebaut sein. Ein Primärarztsystem ist ein geeignetes Instrument, um Patientenwege zu steuern. Die Versorgungslandschaft der Zukunft benötigt zudem – ggf. auf der Grundlage finanzieller Anreizsysteme – eine erreichbare ambulante Grund- und fachärztliche Versorgung.
Der Hartmannbund hält eine sinnvolle Lenkung der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen grundsätzlich für notwendig, um die hochwertige Patientenversorgung im deutschen Gesundheitssystem zu erhalten. Zunehmend ist festzustellen, dass Patienten vorgesehene Wege im Gesundheitssystem verlassen und individuelle „Versorgungspfade“ beschreiten: So haben Patienten in Deutschland im Schnitt mehr als einen Hausarzt, suchen direkt Fachärzte auf (auch mehrere desselben Fachs pro Quartal), oder nehmen zunehmend, auch bei offensichtlichen Bagatellerkrankungen, den kassenärztlichen Notdienst oder die Notfallambulanzen der Krankenhäuser in Anspruch.
Durch die fehlende Koordinierung entstehen nicht nur zunehmend erhebliche Gefahren für die Patientenversorgung. Im Ergebnis bleibt Ärzten immer weniger Zeit pro Patient und vor allem für wirklich ernsthaft bzw. schwer erkrankte Menschen. Praxen sind überlaufen, Arzt- und Termin-„Hopping“ sorgen zusätzlich für Wartezeiten, die vermeidbar wären. Im Ergebnis besteht Unzufriedenheit bei Patienten und Ärzten.
Der Hartmannbund bekennt sich uneingeschränkt zum Erhalt der freien Arztwahl, die jedoch durch eine eigene freie Versichertenentscheidung mit entsprechenden Kündigungs- und Wechselfristen, z. B. auf Grundlage des Angebotes unterschiedlicher Versicherungsmodelle oder Tarife, modifiziert werden könnte. Der Versicherte wählt nach seinem Ermessen und seinen Prioritäten in Kenntnis der Rahmenbedingungen seinen Tarif, z. B. einen Gate-Keeper- bzw. Primärarzttarif, oder er bindet sich an festgelegte Patientenpfade. Auch ein Primärarztsystem, auf Wunsch und mit erhöhten Beiträgen mit Öffnungsmöglichkeiten. Im Falle eines Primärarztsystems bzw. von Primärarzttarifen plädiert der Hartmannbund dafür, dass der Primärarzt auch ein Facharzt sein kann, z. B. bei chronisch Kranken in Dauerbehandlung oder allgemein gesunden Versicherten (Gynäkologe, Augenarzt, Chirurg…), bei Kindern auch der (fachärztlich tätige) Kinderarzt, z. B. Kinderdiabetologe.
Der Fokus muss dabei auf der Steigerung von Behandlungsqualität durch Spezialisierung bei gleichzeitiger Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung liegen. Krankenhäuser in Deutschland brauchen langfristige Planbarkeit und sichere finanzielle Rahmenbedingungen.
Der Hartmannbund unterstützt die Konzentration komplexer medizinischer Leistungen auf spezialisierte Kliniken zur Steigerung der Behandlungsqualität. Der Gesetzgeber muss jedoch sicherstellen, dass diese Spezialisierung trägerunabhängig und ohne Benachteiligung von kleineren Häusern erfolgt und die flächendeckende Grundversorgung, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen, nicht gefährdet. Zudem bedarf es einer verpflichtenden länderübergreifenden Zusammenarbeit mit Blick auf die Patientenströme über Ländergrenzen hinweg, insbesondere im Umfeld von Ballungsregionen.
Um eine breite Grundversorgung auch bei geringeren Fallzahlen zu gewährleisten, muss für die Zuweisung von Leistungsgruppen für Krankenhäuser in ländlichen Gebieten die notwendige Flexibilität ermöglicht werden, begleitet von regelmäßigen Qualitätsüberprüfungen durch die Medizinischen Dienste.
Darüber hinaus müssen die Zuweisung der Leistungsgruppen und die Festlegung der Qualitätskriterien auf einer datengestützten und transparenten Grundlage beruhen (Kriterienkatalog), die die Kliniken in die Lage versetzt, belastbare Planungen vorzunehmen, und die regelmäßig überprüft wird. Es darf keine längerfristige Fortschreibung auf Basis von Fallzahlen und Fallschwere aus Vorjahresergebnissen erfolgen. Darüber hinaus müssen die personellen Anforderungen an die einzelnen Leistungsgruppen an der objektiven Realisierbarkeit ausgerichtet sein.
Für kleinere versorgungsnotwendige Häuser insbesondere in strukturschwachen Regionen, zur Förderung und Sicherung der Grundversorgung und zur Unterstützung notwendiger Spezialisierungen in ländlichen Krankenhäusern müssen deutlich schneller als geplant finanzielle Hilfen bzw. Förderungen bereitgestellt werden. Ebenso bedarf es zur Umstrukturierung der Einführung von Anreizsystemen für medizinisches Personal, z. B. spezielle Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme, wie z. B. sektorenübergreifende Weiterbildungsverbünde.
Diese muss unter Gewährleistung der Interoperabilität konsequent genutzt werden. Kommunikationsprozesse und der strukturierte Datenaustausch werden dadurch auf allen Ebenen beschleunigt und verbessert. Eine konsequente Datenverfügbarkeit und sichere Datennutzung werden die Versorgung optimieren.
Digitalisierungsmaßnahmen können eine enorme Arbeitsentlastung für das medizinische Personal bedeuten und gleichzeitig das Patientenwohl verbessern. Es gilt insofern das Potential der Digitalisierung im Gesundheitswesen voll auszuschöpfen. Bisher sorgen vor allem die fehlende Interoperabilität und Inkompatibilität der IT-Systeme aller an der Patientenversorgung Beteiligter, ein vor allem in ländlichen Regionen nur lückenhaft zur Verfügung stehendes, langsames Internet sowie fehlende Speichermöglichkeit für erhobenen Daten und ein teilweise fehlender Datenschutz für Doppeldokumentation und schlecht nutzbare elektronische Kommunikationskanäle.
Hier muss der Gesetzgeber zwingend ansetzen und die benötigte Infrastruktur schaffen, damit Digitalisierung kein Selbstzweck bleibt. Durch den Ausbau eines landesumfassenden, leistungsfähigen Glasfasernetzes und die Verpflichtung der Industrie zur Berücksichtigung der Kompatibilität unterschiedlicher zur Behandlung benötigter Systeme, beispielsweise durch die Schaffung von Schnittstellen, ließe sich dies bewerkstelligen.
Daneben ist eine Fortsetzung oder Neuauflegung eines Fonts zur Finanzierung digitaler Modernisierung von Krankenhäusern, wie er durch das Krankenhauszukunftsgesetzt bestanden hat, notwendig, da in vielen Bereichen die notwendigen Innovationen noch nicht eingeführt wurde. Die Beantragungshürde dieses Fonds muss dabei möglichst unbürokratisch angesetzt werden, damit die finanziellen Hilfen und Vorteile der Digitalisierung möglichst schnell greifen und bei den Patient:innen ankommen können.
Sie kann ärztliches Handeln unterstützen, die Qualität von Diagnosen und Therapien steigern und die Effizienz in vielen Prozessen erhöhen. Der Einsatz von KI muss jedoch in ärztlicher Hand bleiben und die medizinischen Handlungsmöglichkeiten erweitern. KI darf ärztliches Handeln nicht ersetzen.
Künstliche Intelligenz (KI) bietet im Bereich der Medizin zahlreiche Möglichkeiten. Aus ärztlicher Sicht sind dabei gleichermaßen Chancen als auch Überlegungen zu Grenzen der Nutzung von KI im Auge zu behalten. Dabei ist es entscheidend, den Menschen (Ärzt:innen und Patient:innen) in den Mittelpunkt der technologischen Entwicklungen zu stellen und eine ausgewogene Perspektive zu wahren.
Zu den Chancen der Künstlichen Intelligenz in der Medizin gehören:
Diagnoseunterstützung: KI-Algorithmen können Ärzten helfen, Krankheiten schneller und präziser zu diagnostizieren. Sie können große Mengen an Patientendaten analysieren und Muster erkennen, die für menschliche Augen möglicherweise nicht sofort erkennbar sind.
Personalisierte Medizin: Durch die Analyse von genetischen Daten und anderen biologischen Informationen kann KI helfen, maßgeschneiderte Behandlungspläne zu entwickeln, die auf die individuellen Bedürfnisse eines Patienten zugeschnitten sind.
Vorhersage von Krankheitsverläufen: KI kann helfen, das Risiko von Krankheiten vorherzusagen und den Verlauf bestehender Erkrankungen zu prognostizieren. Dies ermöglicht eine frühzeitigere Intervention und eine bessere Planung der Behandlung.
Effizienzsteigerung: Automatisierung von administrativen Aufgaben (z. B. Terminplanung, Dokumentation) kann den Ärzten mehr Zeit für die Patientenversorgung geben und die Effizienz in Kliniken erhöhen.
Telemedizin und Fernüberwachung: KI-gestützte Anwendungen können Remote-Patientenüberwachung und Telemedizin unterstützen, indem sie Daten in Echtzeit analysieren und ärztliche Interventionen vorschlagen.
Forschung und Entwicklung: KI kann in der medizinischen Forschung eingesetzt werden, um neue Medikamente zu entdecken, klinische Studien zu optimieren und die Entwicklung von Behandlungsmethoden zu beschleunigen.
Gleichzeitig müssen von ärztlicher Seite Grenzen beim Einsatz von KI aufgezeigt werden.
Ethische Überlegungen: Der Einsatz von KI wirft Fragen zu Privatsphäre und Datenvertraulichkeit auf. Es muss sichergestellt werden, dass Patientendaten geschützt sind und transparent mit diesen umgegangen wird.
Vertrauen in die Technologie: Ärzte müssen sicherstellen, dass sie KI-gestützte Werkzeuge verstehen und in ihre klinische Praxis integrieren können, ohne sich „blind“ auf diese Technologie zu verlassen.
Menschliche Interaktion: Die Arzt-Patienten-Beziehung ist von entscheidender Bedeutung für den Heilungsprozess. KI sollte die menschliche Verbindung nicht ersetzen, sondern unterstützen. Die emotionale und psychologische Unterstützung, die Ärzte bieten, kann von KI in dieser Form nicht geboten werden.
Fehleranfälligkeit: KI-Systeme sind nicht unfehlbar. Eine falsche Diagnose oder Therapieempfehlung durch ein KI-System kann schwerwiegende Folgen haben. Ärzte müssen die Ergebnisse der KI kritisch hinterfragen und manuell überprüfen.
Regulierung und Verantwortung: Es ist notwendig, klare Richtlinien und Vorschriften zu schaffen, wie KI in der Medizin eingesetzt wird, um Haftungsfragen zu klären und sicherzustellen, dass die Technologie sicher und effektiv ist.
Fazit: Die Einbeziehung und Weiterentwicklung von KI in und für die Patientenbehandlung bedarf dringend einer Förderung sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf gesetzliche Rahmenbedingungen. Die Chancen, die sich für die Gesundheitsversorgung bieten, müssen dringend genutzt werden – selbstverständlich unter Berücksichtigung der genannten Risiken. Um dabei die bestmöglichen Ergebnisse für das Gesundheitssystem unter Berücksichtigung aller Interessen zu erzielen, sollte die ärztliche Expertise im Etablierungsprozess berücksichtigt werden.
Die limitierte Arztzeit kann auf dieser Basis effektiv für die Versorgung der Patientinnen und Patienten eingesetzt werden. Die Arzt-Patienten-Beziehung wird gestärkt. Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit steigen. Arbeitsbelastung und Kosten werden reduziert.
Die Entbürokratisierung des Gesundheitswesens ist ein entscheidender Faktor für die Verbesserung der Patientenversorgung und die Erhöhung der Zufriedenheit der medizinischen Fachkräfte. Nur so kann ein effizienteres, flexibleres und patientenorientierteres Gesundheitssystem geschaffen werden, das in der Lage ist, den Herausforderungen der modernen Medizin gerecht zu werden.
Dazu gehört die Verringerung von Dokumentationspflichten durch eine Reduzierung und Vereinfachung der Dokumentationsanforderungen. Die Dokumentation sollte sich auf die wesentlichen Informationen konzentrieren, die für die Patientenversorgung erforderlich sind. Auch durch einfachere und transparentere Abrechnungsmodalitäten kann Zeitaufwand minimiert und der Fokus auf die Patientenversorgung gelegt werden. Ein gleicher Effekt ist durch die Verringerung von Anforderungen von überflüssigen Qualitätssicherungsmaßnahmen möglich.
Durch die Integration von IT-Systemen kann der Austausch von Patienteninformationen zwischen verschiedenen Einrichtungen und Versorgungsebenen erleichtert werden. Dies reduziert unnötige Redundanzen und steigert die Effizienz bei der Patientenversorgung. Der Einsatz moderner, praxistauglicher Technologien (z. B. KI, digitale Patientenakten) sollte gefördert werden, um Prozesse zu automatisieren und zu rationalisieren. Auch Telemedizin kann helfen, bürokratische Hürden abzubauen.
Ärztinnen und Ärzte müssen aktiv in den Prozess der Entbürokratisierung einbezogen werden, damit ihre Erfahrungen und Perspektiven in notwendige Entscheidungsprozesse einfließen und so realistische und umsetzbare Lösungen gefunden werden. Dies gilt auch für ihre Beteiligung an der regelmäßigen Überprüfung und Anpassung von Vorschriften. Ein solcher Mechanismus ist sicherzustellen.
Sie verringern die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, indem sie Erkrankungen vermeiden, ihre Schwere reduzieren und mehr gesunde Jahre ermöglichen.
Prävention ist ein fundamentaler Bestandteil einer effektiven und nachhaltigen Gesundheitsversorgung. Sie trägt dazu bei, die Gesundheitsresultate zu verbessern, die Lebensqualität zu steigern und die Belastungen für das Gesundheitssystem zu verringern. Ein stark auf Prävention ausgerichtetes Gesundheitssystem ist nachhaltiger, da es Ressourcen effektiver nutzt und sich auf die gesamte Gesundheit der Bevölkerung konzentriert, anstatt nur auf die Behandlung von Krankheiten. Indem Krankheiten frühzeitig erkannt oder verhindert werden, können sowohl direkte Behandlungskosten als auch indirekte Kosten wie Arbeitsausfälle reduziert werden.
So können erhebliche Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden, denn die Behandlung schwerer Krankheiten ist oft teurer als präventive Maßnahmen. Viele chronische Erkrankungen, wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige Krebsarten, können durch präventive Maßnahmen stark eingeschränkt oder sogar verhindert werden. Eine frühzeitige Intervention kann das Risiko von Komplikationen reduzieren.
Vor diesem Hintergrund sind politische Initiative erforderlich, die Prävention fordern und fördern. Dazu gehören Informationskampagnen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Vorteile von Prävention und zur Steigerung des Bewusstseins für das individuelle Bewusstsein der Bedeutung gesundheitsfördernder Maßnahmen. Präventive Maßnahmen müssen auf geeignete Weise bereits in Schulen in den Lehrplan integriert werden, um schon früh ein Bewusstsein für gesunde Lebensstile zu fördern. Zu den erforderlichen Maßnahmen gehören auch Gesetze und Verordnungen, die gesundheitliche Präventionsmaßnahmen unterstützen, z. B. durch das Verbot von Tabakwerbung, eine Zuckersteuer oder das Einführen von Rauchverboten in öffentlichen Räumen. Subventionen für gesunde Lebensmittel oder Programme, die körperliche Aktivität fördern, können ebenfalls zur Etablierung beitragen.
Die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbehörden, Bildungseinrichtungen, der Arbeitswelt und der Zivilgesellschaft kann dabei synergetische Effekte erzielen.
Das ist wesentliche Grundlage für die unabhängige Patientenversorgung und ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Die freiheitliche ärztliche Berufsausübung muss erhalten bleiben, ebenso Therapiefreiheit und Pluralismus.
Der Hartmannbund lehnt die Bildung immer größerer Versorgungseinheiten bis hin zu konzernartigen Strukturen, wie z. B. MVZ-Ketten, in der vertragsärztlichen Versorgung aus Sorge vor zunehmenden rein wirtschaftlichen Motiven ab. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass nicht einige wenige konzernartig aufgestellte Anbieter lokal oder regional eine Alleinstellung erlangen können. Er muss verhindern, dass primär renditeorientierte Anbieter die wirtschaftlichen, organisatorischen, personellen und qualitativen Konditionen für die Erbringung medizinischer Leistungen einseitig bestimmen können.
Der mit dieser de facto Oligopolisierung bis hin zur Monopolisierung eintretende Verlust von Angebotsvielfalt schränkt die freie Arztwahl zu Ungunsten des Patienten ein. Der vielfach geforderte und angestrebte faire Wettbewerb mit dem Vergleich von Qualität, Preisen und Leistungen kann nicht mehr stattfinden. Darüber hinaus wird durch diese Entwicklung das Behandlungsverhältnis zwischen dem Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen und dem in seinen Entscheidungen unabhängigen und freien Arzt gefährdet.
Die Ausübung des Arztberufs als Freier Beruf steht auf dem Spiel, wenn es niederlassungswilligen Ärztinnen und Ärzten faktisch nicht mehr möglich ist, sich als wirtschaftlich Selbständige niederzulassen, weil verfügbar werdende Vertragsarztsitze durch die Betreiber großer MVZ erworben werden und weil dadurch die Preise bei Weiterverkauf noch weiter in die Höhe getrieben werden. Bereits jetzt sind in einigen Regionen Deutschlands in Bezug auf bestimmte Fachgebiete wie Labormedizin, Augenheilkunde, Radiologie und Nephrologie/Dialyse derartige Prozesse zu beobachten, ebenso on der Zahnheilkunde.
Das ist Grundlage, um die qualitativ hochwertige Patientenversorgung auch zukünftig noch gewährleisten zu können.
Die bereits erfolgte Entbudgetierung der vertragsärztlichen Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin sowie die geplante, im GVSG-Entwurf enthaltene Entbudgetierung in der hausärztlichen Versorgung – die durch das Auseinanderbrechen der Koalition leider der Diskontinuität zum Opfer gefallen ist – müssen auf alle Fachgruppen ausgeweitet werden. Um auch zukünftig die vertragsärztliche Versorgung der GKV-Patenten – bei vielfach steigenden Anforderungen und Kosten – sicher gewährleisten zu können, muss ein Umdenken einsetzen und die vielfach leistungshemmenden Budgets der Vergangenheit angehören. Dafür ist die „scheibchenweise“ für einzelne Fachgruppen oder Leistungen umgesetzte oder angedachte Entbudgetierung nicht ausreichend.
So sehr die Aufhebung der Budgetierung in der Pädiatrie zu begrüßen ist, darf die in Aussicht gestellte weitere Entbudgetierung nicht nur die Hausärzte oder nur einzelne Leistungen betreffen. Jetzt ist es wichtig, insbesondere mit Blick auf den fachärztlichen Bereich, nicht selektiv zu entbudgetieren, sondern alle Leistungen und Fachgruppen vom Budget zu befreien.
Diese Notwendigkeit ergibt sich aus Vergütungssystematik selbst. Eine sukzessive Herauslösung weiterer Einzelteile aus dem Gesamtbudget führt zu einer noch stärkeren Unterfinanzierung für den letztlich immer kleiner werdenden Teil der Gesamtvergütung. Somit sind auch Nivellierungen zwischen den verbleibenden MGV-Bestandteilen immer weniger möglich. Der in einem gedeckelten System faktisch vorhandene Fehlbetrag zu einer angemessenen Honorierung der erbrachten Leistungen muss dann von immer weniger unter dem Deckel des Budgets verbleibenden Akteuren getragen werden.
Eine Entbudgetierung aller erbrachter ärztlichen Leistungen wird seit Jahren gefordert und ist längst überfällig. Damit würde gleichzeitig ein klares Zeichen für die Vertragsärzteschaft sowie für die Sicherstellung zukünftiger vertragsärztlicher Versorgung gesetzt.
Zurzeit krankt die ärztliche Weiterbildung an einer unzureichenden Finanzierung. Im stationären Bereich mangelt es ihr an einer eigenständigen Finanzierungsbasis und im ambulanten Sektor werden nur bestimme Facharztbezeichnungen finanziell unterstützt. Um die Grundlage für den Erhalt einer qualitativ hochwertigen Weiterbildung zu schaffen und die Anzahl der Weiterbildungsstellen zu sichern, braucht es hier neue, umfangreiche Finanzierungskonzepte und eine Verpflichtung für Kliniken, sich an der Weiterbildung zu beteiligen.
So kann gewährleistet werden, dass auch genug Personal für die Weiterbildung zur Verfügung gestellt werden kann und auch zukünftig eine fachlich hochwertige Patientenversorgung möglich ist. Daneben braucht es für die immer wichtiger werdende Verbundweiterbildung arbeits- und sozialrechtliche Bedingungen, die vollumfängliche Weiterbildungsverträge unter einer gesicherten Rechtsform ermöglichen. Weiterbildung darf nicht unter das Arbeitgeberüberlassungsgesetz fallen, weil dies sich insbesondere auf Grund der Höchstüberlassungsdauer (18 Monate) nicht für den Anwendungsbereich der ärztlichen Weiterbildung eignet.
Ein modernes Medizinstudium müsste um die um die Aspekte e-Health, den Umgang mit KI in der Medizin, Suchtmedizin und Kommunikation von Fehlern, sowie schwierige Patientengespräche ergänzt werden, um den sich verändernden Versorgungsbedingungen Rechnung zu tragen. Zudem müsste der Umgang mit Behinderung und die damit einhergehenden veränderten Ansprüche an die Patientenversorgung stärker als bisher in der Lehre berücksichtigt werden.
Unabhängig davon, ob eine neue Approbationsordnung irgendwann beschlossen wird oder nicht, müssen flächendeckend die fortschrittlichsten Ausbildungsstrukturen und -methoden eingeführt werden. Dazu zählen insbesondere die Etablierung von IPSTA-Projekten (Interprofessionellen Ausbildungsstationen), Shadowing-Programme während der Famulatur und im PJ sowie die Einführung von Hybridvorlesungen und Blended Learning. Nur so kann die Lehre international konkurrieren und die besten Lernbedingungen garantieren. Die Qualität des letzten Ausbildungsabschnittes, des Praktischen Jahres, muss zusätzlich dadurch gesichert werden, dass Studierende im PJ nicht mit pflegerischen, sondern mit ärztlichen Aufgaben betraut werden und sie eine einheitliche angemessene Aufwandsentschädigung erhalten. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die angehenden Mediziner:innen ihr theoretisches Wissen im geschützten Raum praktisch trainieren können und der Wettbewerb um die Studierenden über die Ausbildungsqualität und nicht finanzielle Anreize geführt wird. Schließlich muss eine ausreichende Finanzierung des Medizinstudiums durch Bund und Länder garantiert sein.
Und schafft damit die notwendigen Impulse und Voraussetzungen für eine Versorgung auf hohem medizinischem Niveau. Dafür braucht es sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung moderne Honorierungssysteme.
Das Gesundheitswesen ist für über fünf Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Insofern besteht hier großes Einsparungspotential, das allerdings in einem ohnehin mangelfinanzierten System ohne staatliche Unterstützung nicht genutzt werden kann, da das Neuaufbereiten steriler Materialen oder die Umstellung auf umweltverträglichere Materialen oft sehr kostenintensiv ist. Hier braucht es deshalb Programme für Kliniken und Praxen, die dem BMU-Umweltinnovationsprogramm für Unternehmen oder den Subventionen für Solarpaneele und e-Autos entsprechen, um Klimaschutz im Gesundheitswesen voranzutreiben.
Gesundheit muss in allen politischen Bereichen berücksichtigt werden, da soziale, ökonomische und ökologische Faktoren wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung haben. Es braucht eine enge Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswesen und anderen Politikbereichen wie Bildung, Umwelt und Stadtplanung, um gesundheitsfördernde Lebensbedingungen zu schaffen.