Eine kluge Patientensteuerung braucht eine ehrliche Patientenaufklärung seitens der Politik und Kassen

Der Hartmannbund Landesverband Bayern stellt in jüngster Zeit immer wieder fest, dass sich Politik und Krankenkassen grundlegend davor scheuen, den Patientinnen und Patienten klar zu vermitteln, dass beim derzeitigen Stand der Unterfinanzierung und Personalknappheit eine vollumfängliche Nutzung ärztlicher Leistungen nicht mehr ungesteuert möglich ist.

„Von der Bevölkerung wird zunehmend eine medizinische Komplettversorgung rund um die Uhr, ohne Wartezeit und zum Flatrate-Tarif erwartet. Bei begrenzten personellen Ressourcen und gedeckelten Finanzmitteln ist dies aber nicht möglich, insbesondere nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung“, so Dr. Rainer Wöhrle, Vorstandsmitglied und niedergelassener hausärztlicher Internist in Neuried. Statt einer dezidierten Informierung und Aufklärung der Patientinnen und Patienten externalisieren Politik und Kassen die Verantwortlichkeit der aktuellen gesundheitspolitischen Misere auf Ärztinnen und Ärzte: „Zu den obskursten Ausblühungen solcher Bestrebungen gehört zweifelsohne der jüngste Forderungskatalog der vdek, der nicht nur die undifferenzierte Ausweitung der Sprechzeiten in den Arztpraxen fordert – ohne Bezahlung der dadurch entstehenden Mehrarbeit – sondern vor allem suggeriert, als bestünde die Arbeitswoche der Ärztinnen und Ärzte nur aus den Sprechstundenzeiten. Die bereits jetzt schon bestehende unentgeltliche Mehrarbeit wird dabei geflissentlich verschwiegen“, so Wolfgang Gradel, Landesvorsitzender des Hartmannbund Bayern.

Vor der Entwicklung ressourceneffizienter Maßnahmen zur zielgerichteten Patientensteuerung in die richtige Versorgungsebene fordert der Landesverband daher vor allem eine ehrliche Aufklärung und Informierung der Patientinnen und Patienten durch Politik und Kassen.

„Als medizinische Laien fehlt dem Großteil der Patientinnen und Patienten oft die Fähigkeit, die Gefährlichkeit von gesundheitlichen Einschränkungen, Erkrankungen oder Verletzungen einzuschätzen. Mit dem Wunsch einer schnellen Abklärung werden deshalb zunehmend Rettungsdienste und Notaufnahmen mit medizinischen Bagatellfällen beansprucht und somit Ressourcen falsch gebunden. Vielen Menschen ist schlicht nicht bekannt, dass in Deutschland die Arztpraxen erste Anlaufstelle sein sollen und eben nicht die Krankenhausnothilfen“. Schätzungen zufolge könnte nahezu jeder zweite Patient in den Notaufnahmen ambulant behandelt werden. Während der regulären Sprechstundenzeiten ist daher die individuelle Hausarztpraxis der beste Ansprechpartner, da dort schon wichtige medizinische Informationen vorliegen. „Krankenkassen und Politik müssen durch die gezielte und aufrichtige Kommunikation die bestehenden Fehlstellen schließen und gleichzeitig mit dem Ausbau von Hausarztmodellen eine feste Anbindung von Patientinnen und Patienten an ihre Hausarztpraxis nachhaltig fördern“, bekräftigt Dr. Rainer Wöhrle.

Die Einbeziehung der Patientinnen und Patienten ist der Schlüssel einer effizienten und auf Nachhaltigkeit angelegten Patientensteuerung. Am Beispiel des Eckpunktepapiers zur Notfallreform zeigte sich jüngst, dass die Politik zwar dazu in der Lage ist, technisch praktikable Konzepte zu entwickeln, die Finanzierbarkeit und die Einbindung der Patientinnen und Patienten jedoch beständig ausklammert. Die Hauptlast tragen nach wie vor die Ärztinnen und Ärzte. Der Landesverband erwartet daher einen aufrichtigen und ungeschönten Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse und eine stärkere Berücksichtigung der ärztlichen Erfahrungswerte, denn nur so kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft akute gesundheitliche Gefährdungen umgehend erkannt, kompetent behandelt und zielgerichtet in die richtige Versorgungsebene gebracht werden können.