Hartmannbund Brandenburg kritisiert erratische Herangehensweise

Mit völligem Unverständnis kommentiert der Vorsitzende des Hartmannbundes Brandenburg Dr. Hanjo Pohle sowohl die Empfehlung der Gesundheitsministerkonferenz bezüglich Auffrischimpfungen als auch den darauf aufbauenden gemeinsamen Aufruf von Brandenburger Ärztekammer, KV und Gesundheitsministerium. Beide sehen vor, neben Risikogruppen auch allgemein „älteren Menschen“ Auffrischimpfungen anzubieten. „Die Gesundheitsminister beziehen sich für ihre Empfehlung, Senioren eine Boosterung mit einem Coronavakzin anzubieten, auf die vorhandene Studienlage. Leider wird dieses Vorgehen auch von Körperschaften wie KV und Ärztekammer, so geschehen in Brandenburg, durch ein gemeinsames Papier mit dem Gesundheitsministerium geadelt. Das halte ich für problematisch, zumal die STIKO in ihrer letzten Stellungnahme vom 24. September ausdrücklich nur für bestimmte Risikopatienten wie etwa Personen mit Immundefizienz wie z.B. Patienten nach Organtransplantation eine dritte Impfung gegen Covid-19 empfiehlt. Für eine generelle Empfehlung für die übrige Bevölkerung gebe es, so die STIKO, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine ausreichende Evidenz bzw. sei dies noch nicht abschließend zu beurteilen. Und es stellt sich die Frage, ob politische Strukturen wie Ministerien wirklich über die Kompetenz verfügen, derartige Beschlüsse ohne Abstimmung mit wissenschaftlich etablierten Kommissionen wie der STIKO zu fassen“, äußert sich der Rathenower Allgemeinmediziner.

Dieses Agieren vorbei an der Wissenschaftlichkeit stehe in krassem Widerspruch zur allgegenwärtigen Kopplung der ärztlichen Therapiefreiheit an die medizinische Evidenz, auf welche die Akteure im Gesundheitswesen und auch die gesetzlichen Bestimmungen sonst regelmäßig verweisen, findet Pohle. „Derart erratische Verhaltensweisen erzeugen in der Ärzteschaft Unverständnis und Irritation, welche sich ebenfalls auf die Patientinnen und Patienten übertragen, wenn nun der eine ärztliche Kollege den politischen Empfehlungen folgt und die andere ärztliche Kollegin dem wissenschaftlichen Gremium STIKO. Hier ist der Spaltungsprozess in der Gesellschaft um eine Komponente erweitert worden“, so der Brandenburger Hartmannbund-Vorsitzende.

Die Frage müsse zudem erlaubt sein, ob der Fokus auf dritte Impfungen der richtige Ansatz zur weiteren Bekämpfung der Coronapandemie sei, meint Pohle. Dem entgegen scheine es Konsens in der Wissenschaft zu sein, dass der entscheidende Hebel in der weiteren Verringerung des Anteils von Nichtgeimpften im Verhältnis zu geimpften Personen bestehe. „Hieran ändern Auffrischimpfungen leider rein gar nichts. Und gerade in Brandenburg gibt es mit 36 Prozent noch gar nicht geimpften Personen erheblichen Betätigungsspielraum für Politik und Gesellschaft.“

Bemerkenswert sei auch, dass in Sonntagsreden zwar gern betont werde, dass die Coronapandemie nur weltweit besiegt werden könne, doch im Alltag offenbar weiterhin nationalstaatliche Egoismen den Ton angeben. „Die Mahnungen der WHO, zur Eindämmung der Pandemie voll auf Erst- und Zweitimpfungen zu setzen und nicht auf Boosterungen, wurden offenbar nicht gehört. Dabei ist es auch aus moralischer Sicht problematisch, wenn wir in Deutschland pro Kopf insgesamt vier Dosen Coronavakzin bestellt haben, während in Afrika gerade einmal sechs Prozent der Bevölkerung geimpft sind.“