Der Dialog mit fachkundigen Exponenten der digitalen Zukunft des Gesundheitssystems und die kritische Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik prägten die Hauptversammlung des Hartmannbundes am vergangenen Wochenende. Klare Botschaft mit Blick auf beide Themenfelder: Die Ärzteschaft kann ihren Einfluss auf das Gesundheitssystem vor allem dann erfolgreich geltend machen, wenn sie sich den Herausforderungen kritisch und konstruktiv stellt und eigene Lösungsvorschläge entwickelt.
„Ob hip oder nicht, ob wir begeistert sind oder auch nicht, die Digitalisierung wird stattfinden und erfordert unser Know-how und die richtige Haltung“, zog der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, nach einer spannenden Diskussion mit Digitalexperten und Startups ein klares Resümee. Man müsse die Entwicklungen um Gesundheits-Apps und Künstliche Intelligenz gemeinsam mit Experten analysieren und sich mit den bevorstehenden Entwicklungen befassen, wolle man tatsächlich noch zum Mitgestalter werden. „Die Antworten auf diese Zukunftsfragen werden aller Voraussicht nach nicht von der Selbstverwaltung oder von den Kassen kommen, sondern von den weltweit agierenden Unternehmen. Patienten werden die Treiber der Entwicklung sein, und wir dürfen uns nicht abhängen lassen“, appellierte Reinhardt für eine aktive und konstruktive Position der Ärzteschaft. Auch wenn Ärztinnen und Ärzte mit Blick auf die Entwicklung Künstlicher Intelligenz voraussichtlich ihr Wissensmonopol verlieren würden, so Reinhardt, sei die hier und da verbreitete Sorge eines Bedeutungsverlustes unbegründet. „Die individualisierte Anwendung von Wissen braucht auch weiterhin unverzichtbar den Arzt“, zeigte sich der Hartmannbundvorsitzende sicher.
Im Zentrum der aktuellen berufspolitischen Diskussion der Hauptversammlung stand zunächst die Auseinandersetzung mit dem Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Völlig jenseits der zweifelhaften Sinnhaftigkeit vieler dort enthaltenen Regelungen – wie beispielsweise der Erhöhung der Praxisstunden auf 25 Wochenstunden – stelle das geplante TSVG vor allem einen erheblichen Eingriff in die ärztliche Selbstbestimmung und die wirtschaftliche Selbständigkeit in freiberuflicher Berufsausübung dar, kritisierte Reinhardt scharf. Das Gesetz schließe mit seinen kleinteiligen Regelungen nahtlos an die Tradition jahrelanger regulierender Ein- und Übergriffe des Gesetzgebers über das Sozialgesetzbuch V an. Die einzig angemessene Antwort auf Jahrzehnte derartiger Überregulierung könne nur eine Deregulierungsinitiative im Gesundheitswesen sein, für die das Bundesgesundheitsministerium unter Einbezug der ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften und großer sektorenübergreifender freier Verbände die Federführung übernehmen müsse.
Einig waren sich die Delegierten der Hauptversammlung auch in ihrer Kritik an der zunehmenden Ausbildung konzernartiger Strukturen in der medizinischen Versorgung. Diese schränke die freie Arztwahl durch den Patienten und die Freiheit ärztlicher Berufsausübung ein, gefährde das individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis und führe zur Fehlallokation der knappen und innerhalb des Solidarsystems aufgebrachten Ressourcen.