Hartmannbund Landesverbände tagen in Schwerin: Kritische Auseinandersetzung mit der Notfallversorgungsreform

Als hätten Sie es geahnt: Die Hartmannbund Landesverbände Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben am vergangenen Wochenende zur Zukunft der Notfallmedizin getagt. Nachdem der Referentenentwurf zur Notfallversorgungsreform des Bundesgesundheitsministeriums in der vergangenen Woche hohe Wellen geschlagen hatte, folgten zahlreiche Vertreter aus Politik, Gesundheitswesen und Interessensgruppen der Einladung nach Schwerin, um sich intensiv mit den vorgeschlagenen Änderungen und deren Auswirkungen auf die Notfallversorgung in den beiden Bundesländern auseinanderzusetzen. Hochkarätige Referenten, wie Prof. Uwe Janssens, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. oder auch Dipl.-Med. Angelika von Schütz, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommerns, beleuchteten sowohl Chancen als auch kritische Punkte des Reformvorhabens.

„In Deutschland geraten die Notaufnahmen zunehmend unter Druck: Ein erhöhtes Patientenaufkommen trifft auf verhältnismäßig zu wenig Fachpersonal und zu kleine bauliche Voraussetzungen“, weiß auch Prof. Dr. Jens-Peter Keil, Ärztlicher Direktor des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg zu berichten. Die Notaufnahme seines Hauses wäre vor 25 Jahren für die Versorgung von 25.000 Notfallpatienten errichtet worden. Heute würden dort bis zu 50.000 Patienten versorgt, so der Notfallmediziner: „Die Wartezeit beträgt teilweise bis zu acht Stunden, der Mangel an Betten zur stationären Aufnahme von Patienten ist eklatant hoch.“

Dass es einer Reform der Notfallversorgung bedarf, darin sind sich angesichts solcher Fallbeispiele alle Beteiligten einig. Das Wie bedürfe allerdings eines fundierten Austauschs unter Einbezug lokaler Handlungsträger: „Viele Kassenärztliche Vereinigungen haben bereits vor Jahren aus der Not heraus Modelle entwickelt, um die Notfallversorgung gleichermaßen effizient und patientenorientiert zu gestalten“, hebt der Vorsitzende des Hartmannbund Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Dipl.-Med. Bernd Helmecke, hervor. „In Mecklenburg-Vorpommern wird die Notfallversorgung in einigen Landesteilen bereits aus einer Hand disponiert. Die Rettungsleitstellen des Landkreises Rostock sowie Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald nehmen die Notrufe der 112 sowie 116117 entgegen, erfassen die Beschwerden und steuern die Patienten.“ Daraus resultiere eine geringere Anzahl von Fehleinsätzen des Rettungsdienstes, die Belastung der Vertragsärzte nehme durch eine reduzierte Anzahl von Fehlanrufen ab. „Anstatt Gelder in neue – von oben aufgebürdete – Strukturen zu stecken, sollten bereits vorhandene validierte Modelle finanziell gefördert werden“, schließt der Internist seine Ausführungen mit einer Anspielung auf die vorgesehene Etablierung einer Akutstelle, welche eng mit den Rettungsleitstellen zusammenarbeiten soll.

Neben diesem Vorhaben sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen zukünftig bundesweit an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr sowohl eine telemedizinische als auch eine aufsuchende notdienstliche Versorgung gewährleisten. Auch das sieht der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums vor. Der Vorsitzende des Hartmannbund Landesverbandes Schleswig-Holstein, Dr. Mark F. Tobis, steht diesem Aspekt kritisch gegenüber: „Eine zusätzliche Arbeitsbelastung Niedergelassener ist unbedingt zu vermeiden. Bereits jetzt stoßen viele Vertragsärztinnen und -ärzte an die Grenze des Leistbaren. Ohne Wenn und Aber müssen Notfälle Tag und Nacht eine zeitnahe Behandlung erfahren. Allerdings gehört zur Wahrheit auch dazu, dass nicht jeder abgesetzte Notruf ein Notfall ist. Kolleginnen und Kollegen im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und in den Notaufnahmen sehen sich zunehmend mit trivialen Behandlungsfällen konfrontiert. Das Gespür, wann etwas dringend ist und wann nicht, scheint abhandengekommen zu sein. Es bedarf auch einer besseren Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten, damit unsere Notaufnahmen nicht immer voller werden.“

Auf der Veranstaltung wurde deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit des Bundesgesundheitsministeriums mit allen relevanten Akteuren notwendig ist, um die Notfallversorgung nachhaltig zu verbessern. Eine isolierte Entscheidung aus der Ferne wird nicht ausreichen. Die Hartmannbund Landesverbände Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern werden das Reformvorhaben daher weiterhin kritisch begleiten.