Respekt vor den aktuellen Herausforderungen der Regierenden angesichts von Kriegen, gesellschaftlichen Umbrüchen und wirtschaftlichen Risiken – aber wenig Verständnis für falsche gesundheitspolitische Weichenstellungen und praxisfremde Entscheidungen in Folge fehlender Kommunikation und mangelnder Einsicht. Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, hat am Wochenende auf der Hauptversammlung seines Verbandes kritische Worte für die Politik des Bundesgesundheitsministers gefunden, gleichzeitig aber die Bereitschaft und den Anspruch der Ärzteschaft zum Dialog bei der Entwicklung zukunftsfähiger Konzepte und Lösungsansätze in der Gesundheitsversorgung betont.
Mit Blick auf die „dringend notwendige“ Krankenhausreform warnte Reinhardt Bund und Länder vor einer Hängepartie. Eine kalte Bereinigung und die Verunsicherung des Klinikpersonals müssten vermieden werden. Auch den Stand der Digitalisierung des Gesundheitswesens beurteilte er kritisch. Dass auch jüngste Gesetzesvorlagen noch immer Sanktionen bei Nichtanwendung beinhalteten, stelle der Entwicklung ein schlechtes Zeugnis aus. „Funktionierende Digitalisierung braucht keine Sanktionen, die wird gerne auch freiwillig angewendet“, so Reinhardt. Mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen mahnte der Hartmannbund-Vorsitzende ein Ende der Budgetierung auch im fachärztlichen Bereich an. Angesichts des Zustandekommens des Honorarabschlusses im Erweiterten Bewertungsausschuss forderten die Delegierten der Hauptversammlung gesetzliche Änderungen für ein „unabhängiges und transparentes Schlichtungsverfahren“. Ein Honorarbeschluss nach Regeln des „Viehmarktes oder Fingerhakelns“ sei nicht akzeptabel.
Neben der aktuellen Gesundheitspolitik beschäftigte sich die Hauptversammlung in einem Schwerpunktthema mit der Frage, wie sich die Versorgung in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werde. Wie können Digitalisierung und die Nutzung großer Datenmengen Versorgung verändern? Was wird Prävention leisten können (und müssen)? In welchem Maße etwa wird es gelingen, auf der Basis von Gentechnologie Krankheiten zu verhindern, statt sie anschließend (mühsam) heilen zu müssen? Was bedeuten diese möglichen Entwicklungen für die Strukturen und die Akteure des Systems? Was für das Arzt-Patientenverhältnis? Welche ethischen Grenzen müssen wir mit Blick auf künftige medizinische und technische Möglichkeiten ziehen? Und schließlich: Welchen Einfluss können Ärztinnen und Ärzte auf die Entwicklung nehmen? Am Ende einer spannenden Diskussion war sich die hochrangig besetzte Expertenrunde* einig: Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werden die Versorgung maßgeblich verändern, den Arzt in seiner zentralen Rolle aber nicht ablösen. Auch hier gelte: Lösungen und Technologien, die Ärzt:innen und Patient:innen wirklich helfen, werden sich durchsetzen.
Die verabschiedeten Anträge der Hauptversammlung finden Sie hier
*Moderiert von Denis Nößler (Ärzte Zeitung) diskutierten zum Thema Dr. Lutz Hager (BV Managed Care e. V.), Lukas Findeisen (Carl-Zeiss-Stiftung), Dr. Anke Diehl (Digitale Transformation/Unimedizin Essen), Dr. Max Tischler (Dermatologe), Prof. Dr. Alena Buyx (Vorsitzende des Ethikrates) und Dr. Lutz Kloke (Cellbricks).