„Die Ärzteschaft ist gern bereit, sich an Lösungen für den Mangel an Ärzten in den niedersächsischen Regionen zu beteiligen, jedoch hat es die Politik versäumt, rechtzeitig die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen.“ Das sagte die Vorsitzende des Hartmannbund-Landesverbandes Niedersaschen, Prof. Anke Lesinski-Schiedat, als Reaktion auf die Äußerungen des niedersächsischen SPD-Generalsekretärs Alexander Saipa, Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) solle seine Blockade gegenüber der Einführung einer Landarztquote überdenken. „Eine solche Quote suggeriert zwar, dauerhaft das Problem fehlender Ärzte in strukturschwachen Regionen zu lösen, jedoch schafft sie erstens keine Anreize, und zweitens kann sie vor 2030 auch nicht wirken“, so Lesinski-Schiedat. „Studium und Facharztweiterbildung dauern mindestens elf Jahre, und der einzige Anreiz besteht darin, einen Studienplatz zu ergattern – das soll die Lösung aller Probleme sein? Davon wird weder die Niederlassung noch eine Region attraktiv. Die Versorgungsengpässe sind doch jetzt schon in einigen Gemeinden und Kommunen akut. Welche unmittelbaren Konzepte hat die Politik – auch um eine Kumulation der Probleme langfristig zu verhindern?“ Die Einführung einer Vorabquote für Studienbewerber, die sich mit knapp 20 Jahren verpflichten sollen, elf oder zwölf Jahre später als selbständig tätiger Arzt in einer strukturschwachen Region tätig zu werden, werde jedenfalls nicht dazu führen, dass auch nur ein Arzt in den nächsten zehn Jahren als motivierter Landarzt arbeitet.
Stattdessen, so Lesinski-Schiedat, seien Anstrengungen zu unternehmen, die wirklich rasche und nachhaltige Ergebnisse erzielen, wozu zum Beispiel vor allem infrastrukturelle Investitionen in das Breitbandnetz, den Nahverkehr, in Schulen, Kitas und kulturelle Einrichtungen gehören. Diese Attraktivitätssteigerung kann zu einem Bevölkerungszuwachs führen, so dass dann ein selbstständig arbeitender niedergelassener Landarzt auch ausreichend zu tun hat.
Für eine langfristig bessere Prognose sei auch eine Erhöhung der Medizinstudienplätze denkbar, die über die Umwandlung von Teil- in Vollstudienplätze in Göttingen hinausgehen muss. Hier gilt es neben den schlichten Räumen auch ausreichend ärztliche Ausbilder einzustellen, um die steigende Studentenzahl gut auszubilden.
Die Politik muss dieses Problem endlich als eine gesamtgesellschaftliche, strukturelle Herausforderung anerkennen. „Die Politik muss Perspektiven für die niedersächsische Bevölkerung in den Regionen insgesamt schaffen, statt mit solchen Vorschlägen der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen“, stellte die Landesvorsitzende des Hartmannbundes klar. „Das Praxissterben ist Teil einer viel größeren Herausforderung. Der Hartmannbund und die Ärzteschaft haben bereits vor über zehn Jahren das Problem sterbender Regionen in die Politik kommuniziert: Es müssen nachhaltige Anreize geschaffen werden, die auch junge Ärzte motivieren, sich in ländlichen Regionen eine Existenz aufzubauen. Für diese Alternative müssen endlich die strukturpolitischen Voraussetzungen geschaffen werden.“