Steigende Energie- und Mietkosten, nicht refinanzierte Tarifsteigerungen für die Medizinischen Fachangestellten (MFA) sowie wiederholt unzureichende Honorarabschlüsse setzen die Praxen seit Jahren unter Druck. „In dieser Situation darf sich die Vertragsärzteschaft, vertreten von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in den anstehenden Honorarverhandlungen nicht erneut über den Tisch ziehen lassen“, fordert der Vorsitzende des Thüringer Hartmannbundes Dr. Jörg Müller. „Wenn wir am Ende wieder bei 3 oder 4 Prozent landen, ist das einfach zu wenig, um die gestiegenen Kosten in den Praxen zu kompensieren“.
Es ginge den Niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht darum, mehr „Gewinne“ zu erzielen, wie verschiedentlich in der Presse zu lesen, sondern um eine Reduzierung der Unterfinanzierung, also einen Ausgleich des Kostenanstiegs. „Auch sind wir Vertragsärztinnen und -ärzte nicht in der Rolle von Bittstellern – es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf volle Kompensation der Kostensteigerungen. Selbst wenn es einige nicht gern hören: die anhaltende Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung und Budgetierung ist wesentliche Ursache für die grassierende Terminknappheit und auch die mangelnde Motivation junger Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung. Wie sollen wir Nachwuchs für die Niederlassung motivieren, wenn die Belastung stetig zunimmt, gleichzeitig das Honorar sinkt und die Arbeitszeit immer mehr von medizinisch unnötiger Bürokratie aufgefressen wird?“, macht der Geraer Facharzt für Augenheilkunde deutlich.
Warnungen vor Beitragssteigerungen aufgrund angemessener Honorierung sind zurückzuweisen
„Es kann nicht sein, dass die Drohkeule der GKV, wonach steigende Honorare der Vertragsärzteschaft zu einem Kostenanstieg für Versicherte und ihre Arbeitgeber führten, die Ärzteschaft regelmäßig in Schockstarre versetzt. Tatsächlich entbehrt diese Behauptung bei näherer Betrachtung jeder Grundlage. Die Argumentation ist so, als würde ich dem Handwerker sagen, ich kann nur einen Teil seiner Kosten erstatten, weil ich ja heute auch schon zur Autowerkstatt musste. Letztendlich wäre in dieser Logik jegliche Anpassung von Lohn, Gehalt oder Honorar, auch Transferleistungen wie Bürgergeld oder Rente, unmoralisch und gesellschaftlich zu ächten, weil die Allgemeinheit in irgendeiner Form belastet würde. Zudem steigen die Ausgaben im ambulanten Bereich der GKV seit langem deutlich geringer an als das Gesamtausgabenvolumen der GKV“, so Müller.
Die Kassen sollten lieber ihre eigenen Hausaufgaben machen und das immer noch reichlich vorhandene Kostensparpotential im System heben, anstatt die Leistungsträger um den ihnen zustehenden Kostenausgleich zu bringen. „Hier sind wir auch gerne mit konstruktiven Ratschlägen zur Seite, wenn von Kassenseite gewünscht. An Ideen und Möglichkeiten mangelt es nicht“, macht der Thüringer Landesvorsitzender klar.
Von nichts kommt nichts
„Wenn jemand nicht bezahlen kann, dann kann er auch keine Leistung erwarten. Von Nichts kommt nichts. Wenn die Kosten in den Praxen nicht refinanziert werden können, ist eine Anpassung des Leistungsumfanges an die zur Verfügung gestellte Gesamtvergütung unumgänglich. Beispielsweise durch strenge Anwendung der WANZ-Kriterien – das heißt, jeder Standard, der das Maß des „Ausreichenden“ überschreitet, ist vom Patienten selbst zu tragen. Die so freigewordene Zeit kann die Praxis dann zur Absicherung für Praxisfortbestand und für die Bindung der Mitarbeiter verwenden“, schlägt der Geraer Augenarzt vor. Letztlich sägten die Kassen an dem Ast des Baumes, auf dem sie säßen, äußert sich Müller abschließend: „Möglicherweise liegt die Zukunft ja tatsächlich in Modellen wie der von einer Gesetzlichen Krankenversicherung ins Spiel gebrachten Zusatzversicherung für schnelle (Fach-)Arztkontakte“.