NDR/Hartmannbund-Umfrage wirft Schlaglicht auf kritische Situation der stationären Pädiatrie

Abgelehnte Patient:innen, dauerhafte Bettensperrungen –  Ärzteschaft und Pflege sind oft an der Belastungsgrenze. Eine vom Norddeutschen Rundfunk und dem Hartmannbund* gemeinsam durchgeführte Umfrage wirft ein alarmierendes Schlaglicht auf die kritische Situation der stationären Kinder- und Jugendmedizin. Knapp die Hälfte der rund 700 Umfrageteilnehmer:innen aus Pflege und Ärzteschaft kann Pausenzeiten selten oder nie einhalten, 45 Prozent der Befragten springen mehrmals im Monat für erkrankte Kolleg:innen ein und rund 60 Prozent empfinden eine mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit. Das bleibt auch für die Versorgung der Jüngsten nicht ohne Folgen.

Für Hartmannbund-Vorstandsmitglied Dr. Theodor Uden, selbst Kinder- und Jugendarzt an der Medizinischen Hochschule in Hannover, sind die Umfrageergebnisse nicht überraschend. Er weiß, dass die Pädiatrie besonders kritisch von Personalmangel und daraus entstehendem Zeitdruck betroffen ist, da medizinischer und pflegerischer Aufwand bei den jungen Patientinnen und Patienten noch weniger steuerbar ist als bei Erwachsenen. Die Kindermedizin sei einerseits von mehreren spezifischen Herausforderungen geprägt, andererseits darf nicht übersehen werden, dass die ursächlichen systemischen Fehler auch alle anderen Fachbereiche beträfen, mahnt der Pädiater. Uden: „Wenn 60 Prozent der Befragten angeben, die Situation habe sich in den letzten fünf Jahren verschlechtert, so dokumentiert das den dringlichen Handlungsbedarf und macht deutlich, warum eine Krankenhausreform längst überfällig ist – strukturell und finanziell.“

Uden bekräftigte die negativen Folgen der fallzahlabhängigen Vergütung (DRG), die ja glücklicherweise bereits von verantwortlicher Stelle als zentrales Problem identifiziert wurden. Uden: „Wenn man möchte, dass Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal sich konzentriert um die Patientinnen und Patienten kümmern können, muss der ökonomische Druck aus dem System“. Dazu brauche es eine – zumindest teilweise – fallzahlunabhängige Vorhaltevergütung, die auch die Personalkosten enthalte und eine zusätzliche Komponente, die unterschiedliche Komplexitätsgrade der Patienten abbilde.

„Der in fast allen Fällen personalbedingte Bettenmangel zieht eine massive Arbeitsverdichtung nach sich, da dennoch die gleiche Anzahl an Patienten zu behandeln ist“, macht Uden deutlich. Dies führe auch dazu, dass die Arbeitsbelastung nicht nur physisch, sondern auch psychisch steige, was – wie in der Umfrage deutlich wurde – wiederum im Worst Case auch Kranke gefährden kann. „Bei der aktuellen Betrachtung sind die saisonalen Infektwellen noch gar nicht berücksichtigt. Genügend Personal auch dafür vorzuhalten, ist eine dringend zu lösende Aufgabe.“

Teil der Problemlösung ist nach Udens Überzeugung auch eine bessere Lenkung der Patientenwege, um stationäre Kapazitäten effizient einsetzen zu können. Das Hartmannbund-Vorstandsmitglied mahnte zudem eine sinnvolle Digitalisierung der internen, externen und sektorübergreifenden Dokumentations- und Behandlungsprozesse an, die dem ärztlichen und pflegerischen Personal Zeit für ihre eigentliche Aufgabe schaffe. „Hier haben wir in der Vergangenheit schlicht den Anschluss verpasst“, so Uden. Als völlig inakzeptabel bezeichnete Uden, dass die Investitionskostenfinanzierung der Kliniken derzeit nicht ausreichend gesichert ist. Hierdurch seien die Kliniken immer wieder zu Querfinanzierungen auch zu Lasten des Personals gezwungen. Dies münde in einem Teufelskreis: „Die verbleibenden Mitarbeiter:innen werden überbeansprucht, da eine Patientenversorgung nicht aufgeschoben werden kann sowie mit dem eigenen Berufsbild auch nicht vereinbar ist, und denken immer häufiger ans Aufhören“.

Uden sieht in der Umfrage aber auch konkrete Anregungen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben uns Hinweise darauf geliefert, welche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sie sich wünschen. An oberster Stelle steht der Wunsch nach mehr nicht-pflegerischem bzw. nicht-ärztlichem Personal zur Delegation. Ebenfalls oben auf der Wunschliste: bessere Arbeitsabläufe, eine bessere Vergütung und mehr Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu flexibilisieren bzw. in Teilzeit zu realisieren. Als dringende systemische Verbesserungsbedarfe werden außerdem eine auskömmliche Finanzierung – im speziellen Fall – für die Pädiatrie unter der Berücksichtigung des größeren Aufwands für die kleinen Patient:innen und eine bessere Ausstattung mit auf die Kinderheilkunde spezialisierten Pflegekräften gesehen.

*Unterstützt wurde die Befragung vom Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e.V., dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (bvkj), dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), dem Pädiatrischen Intensivnetzwerk (PIN), einem Verbund von mehr als 40 Kinderkliniken Norddeutschlands, sowie dem PIN Bettenmonitor, einer angeschlossenen Initiative zur besseren Koordination von Bettenkapazitäten in der Kinder- und Jugendmedizin.

Programmhinweis:

NDR Panorama heute 21.45 Uhr oder bereits jetzt in der ARD-Mediathek unter folgendem Link verfügbar: Notfall Kinderklinik – Wenn kein Bett mehr frei ist

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