Pohle: Ärzteschaft könnte sich Vorwurf der Selektion ausgesetzt sehen

Der am Wochenende bekannt gewordene Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-​CoV-2“ sorgte in den vergangenen Tagen für lebhafte Diskussionen innerhalb und außerhalb der Ärzteschaft. Dieser sieht vor, dass die niedergelassenen Haus- und Fachärzte Patienten per Attest Berechtigungen für Corona-Impfungen ausstellen. Nun meldet sich der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes, Dr. Hanjo Pohle zu Wort: „Der Hartmannbund Brandenburg wendet sich vehement dagegen, nötige Priorisierungsentscheidungen von der Politik auf die Ärzteschaft zu verlagern. Ärztinnen und Ärzte helfen bei der Umsetzung der Maßnahmen gemäß ihrer Profession. Es ist aber nicht zielführend, von Ärzten die Ausstellung von Attesten zu verlangen, ohne dafür hinreichende Entscheidungskriterien zu formulieren und diese auch so zu kommunizieren, dass sie gesellschaftlich akzeptiert werden“. Andernfalls müssten alle Vertragsärzte, zumal deren Beziehung zu den Patienten in elementarer Weise von Vertrauen geprägt sei, befürchten, sich dem Vorwurf der Selektion ausgesetzt zu sehen.

Pohle fährt fort: „Daran, dass es gelingt, diese Attestierungs-Kriterien klar und auch haftungsrechtlich sauber zu formulieren sind zudem durchaus Zweifel angebracht.“ So könnte sich die Frage stellen, ob nicht aus ethischer Sicht jedem Menschen die Ausstellung dieses Attestes zustehe, solange es keine allgemeingültigen, forensisch klar definierten Kriterien für die Attestierungskriterien gebe. Zumal die Praxis zeige, dass auch jüngere, nicht multimorbide Patienten schwere Krankheitsverläufe erfahren können oder sogar an Covid-19 sterben können, so der Rathenower Allgemeinmediziner weiter.

Die Pandemiebekämpfungsstrategie und auch die Impfstrategie mit der Priorisierungsfrage seien letztendlich keine primär ärztlichen Aufgaben, sondern liegen in der Zuständigkeit der politischen Entscheidungsträger – wenngleich sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen von Institutionen mit ausreichender Expertise fußten. Sollte diesbezüglich keine Regelung seitens der politisch Verantwortlichen erfolgen, drohe nicht nur ein massiver Vertrauensverlust in der Arzt-Patient-Beziehung, sondern auch ein erheblicher Akzeptanzverlust bezüglich der gesamten Pandemiebekämpfungsmaßnahmen.

„Wir fordern die politischen Entscheidungsträger daher dringend auf, die aufgezeigten Nachbesserungen vorzunehmen. Selbst wenn der Impfstoff zunächst einmal nicht für alle prioritären Gruppen ausreichen wird – und danach sieht es nach heutigem Stand aus – darf die Mangelverwaltung nicht über die Hintertür der Vertragsärzteschaft aufgebürdet werden“, so Pohle abschließend.