Pohle: Auch Beschlagnahmungen sollten kein Tabu sein

Der Vorsitzende des Hartmannbund Landesverbandes Brandenburg und Rathenower Allgemeinmediziner Dr. Hanjo Pohle fordert die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern auf, auch ungewöhnliche Maßnahmen zur Lösung der nach wie vor bestehenden Versorgungsengpässe bei Schutzausrüstungen zu ergreifen.

„Ich bin entsetzt über das Unvermögen der Politik, die wichtigsten Schaltstellen in der Gesundheitsversorgung unserer Patienten mit existentiellen Schutzmitteln wie Masken, Kitteln und Schutzbrillen zu versorgen. Falls nicht schnellstens ausreichende Schutzausrüstung für Praxen und Krankenhäuser zur Verfügung gestellt werden kann, sollten Beschlagnahmungen und Sicherstellungen dieser Produkte aus dem Handel – Baumärkte, Großhandel, E-Commerce – kein Tabu mehr sein.“ Andere europäische Länder wie Italien machten es vor, dass solche Maßnahmen in Zeiten einer Pandemie als ultima ratio möglich seien. Andernfalls sei der Kollateralschäden in der Grundversorgung vermutlich noch größer, wenn Praxen in Folge von Infektionen in Quarantäne und vom Netz müssten.

Pohle weiter: „Wie kann es sein, dass Baumärkte FFP2-Masken in Größenordnungen an Personen verkaufen, die von diesen gar nicht benötigt werden? Wie ist es möglich, dass manche Discounter noch Desinfektionsmittel an die Bevölkerung verkaufen und Arztpraxen angesichts der Lieferengpässe vor dem Aus stehen? Welchen Sinn macht es, dass mir ein Patient mit Rückenschmerzen und ohne Verdacht auf Corona mit einer FFP2-Maske gegenüber sitzt, während ich als Arzt entweder gar nichts oder seit Kurzem wieder ein chirurgisches Mundtuch trage?“

Die Tatsache, dass es einzelne Kassenärztliche Vereinigungen in Eigeninitiative schafften, kleinere Kontingente zur Verfügung zu stellen – in Brandenburg 10 Schutzmasken für einzelne Facharztgruppen – werde von diesen dankbar angenommen. Zugleich zeige sich jedoch auch das Gesamtversagen der Beschaffungspolitik seitens der politischen Entscheidungsträger. Schließlich sei bereits seit Mitte Januar zu erkennen gewesen, dass eine epidemiologische Krise größeren Ausmaßes nahe, zudem gab es Lieferwarnungen der Industrie in Richtung Bundesgesundheitsministerium. „Während die Ausstattung mit Schutzmaterial, das zu den Grundvoraussetzungen der Daseinsfürsorge in einem Pandemiefall zählt, unzureichend, schleppend und zum Teil gar nicht erfolgt, werden alle Vertragsärzte ständig an ihren Versorgungs- und Sicherstellungsauftrag erinnert. Das ist doch absurd.“ Ärztinnen und Ärzte seien hochmotiviert, müssten aber in die Lage versetzt werden, ihren Patienten zu helfen. Ohne Schutzausrüstungen werde nicht nur die Gesundheit der Ärzte und des medizinischen Personals gefährdet, sondern vor allem die Gesundheit der Patienten.

Pohles Fazit: „Letztendlich ist auch diese desaströse Situation Ausdruck einer jahrelangen Durchökonomisierung des Gesundheitswesens und gehört schon jetzt auf den Prüfstand.“