Pohle: Ausfälle in ambulanter Versorgung werden weiter in Kauf genommen

An der vorgestern in Kraft getretenen neuen Corona-Impfverordnung entzündet sich weiter Kritik aus den Reihen der Ärzteschaft. Der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes Dr. Hanjo Pohle bemängelt, dass durch die nachrangige Impfung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte die Risiken epidemiologischer Übertragungsmöglichkeiten in den Praxen ignoriert werden. Zudem sei unverständlich, dass weiterhin ausschließlich an Vakzinierungen in Impfzentren und durch mobile Impfteams festgehalten werde.

„Es ist für mich unbegreiflich, dass Ärztinnen und Ärzte in Hausarztpraxen und sonstigen grundversorgenden Fachgebieten weiterhin zur zweiten Priorisierungskategorie zählen. Diejenigen, die ambulant tagtäglich sowohl in Praxis als auch in Bereitschaftsdiensten Patienten mit Infektsymptomen behandeln, nicht in die höchste Dringlichkeitsstufe einzuordnen, erscheint doch reichlich naiv und zeugt von Null Kenntnis epidemiologischer Übertragungsmöglichkeiten in Arztpraxen trotz Hygienekonzepten“, macht Pohle deutlich. Der Ausfall ganzer Versorgungsebenen scheine hier eingepreist – und Kollateralschäden für viele Patientinnen und Patienten, die in Folge einer Covid19-bedingten Schließung ihrer Praxis unversorgt bleiben, wohl auch.

„Wie ist es zu erklären, dass zahlreiche zivilisierte und hochentwickelte Nationen zuerst ihr gesamtes medizinisches Personal immunisieren? Was ist an den ärztlichen Ressourcen in Deutschland so besonders, dass sie eine derart geringe Wertschätzung erfahren – und dies nicht im soziologischen, sondern im epidemiologischen Sinn?“ äußert sich der Rathenower Allgemeinmediziner. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von Seiten der politischen Entscheidungsträger einerseits Dankesbekundigungen an die niedergelassenen medizinischen Grundversorger als „ersten Schutzwall in der Coronabekämpfung“ ergehen und andererseits fahrlässig die ambulante Patientenversorgung riskiert werde. Die Priorisierung müsse dringend überarbeitet werden, dies mache nicht zuletzt die altersbeschränkte STIKO-Empfehlung für den AstraZeneca-Impfstoff deutlich.

Klare Worte findet Pohle auch angesichts der Tatsache, dass Vakzinierungen nach wie vor nur in Impfzentren und durch mobile Teams stattfinden sollen. „Die Impfung in Praxen von Hausärzten oder sonstigen Grundversorgern bleibt wiederholt außen vor und unerwähnt. Dabei wissen alle Akteure inklusive der Patientinnen und Patienten, dass die Vakzine von Moderna und auch Biontech mit vertretbarem Aufwand wohnortnah verimpft werden können. Wie lange soll dieser Impftourismus hochbetagter Bürgerinnen und Bürger zu den meist entfernt liegenden Impfzentren denn noch andauern?“, fragt der Landesvorsitzende des Brandenburger Hartmannbundes. Es gebe geeignete wohnortnahe ambulante Strukturen, welche Patientinnen und Patienten schnell, effizient und wohnortnah impfen könnten. „Vielleicht sollte sich die Politik auf das wesentliche, nämlich die Impfstoffbeschaffung, konzentrieren und den Ärztinnen und Ärzten die Impfversorgung überlassen“, schloss Pohle.