Pohle: Beschluss der GMK realitätsfremd

Die Kritik aus den Ärzteverbänden am jüngsten Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), erst ab dem 19. April auf flächendeckende Impfungen in Arztpraxen zu setzen, reißt nicht ab. Der Vorsitzende des Hartmannbundes Brandenburg Dr. Hanjo Pohle, hält diese Entscheidung für verantwortungslos und realitätsfremd. „Nach einer repräsentativen Forsa-Studie wollen sich 55 Prozent der Befragten beim Hausarzt impfen lassen, aber nur 18 Prozent in Impfzentren. Nach diesem Schlüssel sollte auch die Verteilung der Vakzine erfolgen: zwei Drittel in den Praxen und ein Drittel in den Zentren. Kein älterer Patient hat dafür Verständnis, dass die Politik hier immer noch auf der Bremse steht“, macht der Rathenower Allgemeinmediziner deutlich.

In Pohles Augen hätte gerade der Flächenstaat Brandenburg als Schlusslicht im länderinternen Impf-Vergleich – die Immunisierungsrate beträgt gerade einmal 5,1 Prozent – einen besseren Beschluss gebraucht. Stattdessen werde die langsame Vakzinierungsrate für mindestens einen weiteren Monat zementiert, mit entsprechenden Folgen. Dabei zeige eine einfache Rechnung, dass nur flächendeckende Impfungen in Arztpraxen hier schnelle Verbesserungen erzielen können, wie Pohle erklärt: „In dieser Woche bekommt Brandenburg 65.000 Impfdosen geliefert. Würde man 650 Ärzten je 100 Dosen liefern und hätten diese die Möglichkeit, ihre Patienten nach Priorisierung auszuwählen und das Vakzin in der Praxis oder beim Hausbesuch zu verimpfen, wären in einer Woche 65.000 Patienten geimpft. Würde man diese gleiche Anzahl in den 11 Impfzentren bei insgesamt 72 Impfstraßen und 100 Vakzinierungen pro Straße und Tag verimpfen, käme man in der Arbeitswoche mit sechs Tagen auf 43.200 Patienten – wohlgemerkt bei Vollauslastung. Alle Impfzentren im Land Brandenburg benötigen somit anderthalb Wochen für die gleiche Menge. Die dezentrale Lösung in Vertragsarztpraxen ist somit effektiv, schneller und effizienter!“

Zudem führe das Festhalten an den Impfzentren dazu, dass ältere Bürgerinnen und Bürger, die zu Hause auf Grund des Alters und von Behinderungen betreut werden –  was nach Pohle 75 Prozent aller über Achtzigjährigen seien – nicht geimpft werden können, da sie die Zentren nicht erreichen. Faktisch werde also die Durchimmunisierung gerade der vulnerablen Bevölkerungsschichten verhindert bzw. verzögert, was in der Konsequenz die vom Bundesgesundheitsministerium vorgesehene Priorisierung in den Impfzentren ad absurdum führe. „Durch die Weiterverfolgung der bisherigen Vakzinierungsstrategie der Bevorzugung von Impfzentren im Verhältnis zu Hausärzten riskieren wir Erkrankungen und Hospitalisationen bis hin zum Tod unserer ältesten Patientinnen und Patienten. Wenn die Verantwortlichen in der Politik die Durchimmunisierung der Bevölkerung verschleppen, indem sie länger als nötig an Impfzentren festhalten, wird nicht nur das Virus schneller sein als wir, sondern sie werden auch noch das letzte übrig gebliebene Vertrauen der Bevölkerung gegenüber der Pandemiekompetenz der Politik verspielen.“

Pohle, der zu diesem Thema auch am Mittwoch im Brandenburger Gesundheitsausschuss vorsprach, appellierte abschließend an die Landesregierung: „Es ist fünf nach zwölf – bitte lassen Sie die impfbereiten Vertragsarztpraxen in Brandenburg sofort zur Vakzinierung zu, nach dem oben genannten Verteilungsschlüssel! Wir haben 1.100 Brandenburger Arztpraxen, die sich bereit erklärt haben, umgehend mit den Impfungen zu beginnen. Darum bitte ich Sie im Interesse der Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten – nur so ist die dritte Welle aufzuhalten!“