Pohle: Entwurf bietet etwas und Licht und viel Schatten

Zum in der letzten Woche veröffentlichen Referentenentwurf zur Notfallversorgung teilt der Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg im Hartmannbund und Rathenower Allgemeinmediziner Dr. Hanjo Pohle mit: „Positiv sehe ich, dass der vorliegende Entwurf erstmals den Versuch unternimmt, klar und deutlich Kriterien für einen medizinischen Notfall zu definieren. Auch die klare Regelung, in welchen Fällen der stationäre Sektor und wo die Vertragsärzteschaft für die medizinische Versorgung der Notfall-Patienten zuständig sind, begrüßen wir.“

Zugleich betonte Pohle, dass die derzeitigen Probleme in den Rettungsstellen zum Großteil „hausgemacht“ seien. Eine wesentliche Ursache für die massive Inanspruchnahme der Rettungsstellen sei in der problematischen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu sehen – laut Studien immerhin 54 Prozent – und dem daraus entstehenden Missverständnis der Hälfte aller Besucher von Rettungsstellen, ein Notfall zu sein.

Doch anstatt das Problem an der Wurzel zu packen, soll nun eine Neustrukturierung der medizinischen Versorgung eine Verbesserung der Lage bringen. Diesen Ansatz sieht Pohle skeptisch: „Ich gehe davon aus, dass viele Patienten die vorgesehenen Integrierten Notfallzentren (INZ) auch während der Öffnungszeiten niedergelassener Ärzte aufsuchen werden, allein aus Bequemlichkeit.“ Derartige Fehlallokationen seien bereits absehbar, auch wenn sie sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers seien und dem Ziel einer effizienteren Gesundheitsversorgung der Bevölkerung entgegenliefen. Zudem gingen medizinisch nicht begründete Besuche bei INZ zu Lasten der Vertragsärzteschaft, da die entsprechenden Leistungen, die außerhalb der morbiditätsgebundenen Gesamtvergütung gezahlt werden sollen, zu einer Bereinigung in der MGV führen werden.

Zu der vorgesehenen Kürzung von bis zu 50 Prozent der Vergütung ambulanter Notfallleistungen bei Krankenhäusern ohne INZ oder Rettungsdienstkooperation äußert Pohle eine eigene Vermutung: „Ich könnte mir vorstellen, dass hier über das Mittel der Neustrukturierung der Notfallversorgung eine Flurbereinigung der Krankenhausstandorte durch die Hintertür betrieben wird. Selbst wenn dies nicht die erklärte Absicht ist, so wird eine Konsolidierung der Krankenhauslandschaft durch den Entwurf zumindest billigend in Kauf genommen.“

Pohles Fazit: „Wie so oft zeichnet sich der vorliegende Entwurf durch mangelnden Mut aus, die wirklichen Ursachen der konstatierten Patientenfehlallokationen anzugehen.“ Versorgungslücken und Bequemlichkeitslücken in der Gesundheitsversorgung würden fortdauernd verwechselt, was nun zu dem Vorhaben führte, die ganze Republik mit Integrierten Notfallzentren überziehen zu wollen. In einem Flächenbundesland wie Brandenburg würde die Umsetzung des Referentenentwurfs nicht zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Notfall beitragen.