Pohle: Konsequenzen für Vertragsärzteschaft erforderlich

Der kürzlich publik gewordene neue Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen hat bei vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten einen Nerv getroffen. „Dieser Katalog ist ein klares Indiz dafür, dass wir Vertragsärztinnen und Vertragsärzte offenbar viele unserer Leistungen deutlich unter Wert erbringen. Schließlich liegen die vom Schiedsamt festgesetzten Beträge vieler in der Apotheke erbrachten Leistungen deutlich über der Vergütung der entsprechenden Leistungen, die von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erbracht werden. Diese Entscheidung ist brisant, denn sie hat das Potential, das gesamte Honorarsystem zu hinterfragen. Die WANZ-Kriterien, die die Kassen oft wie eine Monstranz vor sich hertragen, erscheinen angesichts der Tatsache, dass die Vergütung von Apothekerleistungen teilweise doppelt so hoch ist wie die von Kassenärztlichen Leistungen, jetzt in einem anderen Licht. Und auch generell ist ein System immer weniger nachvollziehbar, in dem eine einzelne Leistung wie etwa die erweiterte Medikationsberatung in einer Apotheke mit einem Vielfachen des Betrags vergütet wird, den Ärztinnen und Ärzte im Quartal pauschal pro Patienten erhalten. Und das quasi als Flatrate, unabhängig davon, wie oft ein Patient in unseren Praxen vorstellig wird“, äußert sich der Vorsitzende des Brandenburger Hartmannbunds Dr. Hanjo Pohle.

Von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erwartet Pohle, diese Erkenntnisse für die nächsten Verhandlungsrunden mit den Kostenträgern zu nutzen. „Ich erwarte, dass die Ungleichfinanzierung von ärztlich erbrachten Leistungen im Vergleich mit dem Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen beendet wird. Und dass die KBV in den anstehenden Verhandlungen selbstbewusst auftritt und auch taktisch klug agiert, das heißt gegebenenfalls auch das Schiedsamt als mögliche Entscheidungsinstanz in Betracht zieht“, macht der Rathenower Allgemeinmediziner deutlich.

In Pohles Augen müsse der Schiedsspruch bezüglich der pharmazeutischen Leistungen zudem in einem größeren Zusammenhang gesehen werden, in welchem auch der jüngste Bundesratsbeschluss zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken berücksichtigt werden müsse. Offenbar solle die Stellung der Ärzteschaft im Versorgungssystem – die auch perspektivisch aufgrund der stetig zurückgehenden Arztzeit bei gleichzeitig wachsender Morbidität der Bevölkerung eine starke sei – unterminiert werden, um die Position von Bund, Ländern und Kassen in den künftig absehbaren Verteilungskämpfen zu stärken. Der dazu sinnvollste Ansatzpunkt sei die Arzt-Patienten-Beziehung, welche wohl langfristig durch die Einbeziehung neuer Player relativiert werden soll.

Doch diese Rechnung werde nicht aufgehen, findet Pohle. „Was macht beispielsweise der Apotheker, wenn im Rahmen der Beratungen neue Fragen auftauchen? Er kennt das Gesamtbild des Patienten nicht, wodurch eine derartige Beratung nicht risikofrei ist. Im Grunde bleibt dem Apotheker zur Abklärung nichts weiter übrig, als den Patienten wieder zum Arzt zu schicken. Das wäre auch folgerichtig, denn Apotheker sind per Gesetz gar nicht zur Ausübung von Heilkunde berechtigt. Da kämen nämlich nur noch die Heilpraktiker in Frage, aber diese Variante war wohl selbst unseren politisch Verantwortlichen zu skurril“, so Pohle abschließend.