Pohle: Lehren effizienter Katastrophenbekämpfung weiter ignoriert

Die jüngsten Pläne zur Verpflichtung von Arztpraxen zu Coronaimpfungen im Landkreis Märkisch-Oderland lösten bereits scharfe Reaktionen aus der Ärzteschaft aus. Auch der Brandenburger Hartmannbund äußert deutliche Kritik: „Dieser Vorstoß entbehrt jeder juristischen Grundlage, da der Landrat eines Kreises eine Zwangsverpflichtung von Ärzten nur im Katastrophenfall durchsetzen darf. Letzterer wurde jedoch bisher nicht ausgerufen und werde es wohl auch weiterhin nicht, aus politischen Gründen. Hier wurde eine Grenze überschritten, die die Freiberuflichkeit der Vertragsärzte im Mark erschüttert. Eine Verpflichtung zum Impfen ist darüber hinaus auch sinnlos, da die niedergelassenen Ärzte auch freiwillig impfen würden, wären sie von der Politik in die Lage dazu versetzt worden.“, stellte der Vorsitzende des Hartmannbund Landesverbandes Brandenburg, Dr. Hanjo Pohle, klar.

Aus Sicht des Rathenower Allgemeinmediziners steht dieser Plan exemplarisch für das organisatorische und logistische Chaos auf kommunaler sowie auf Landesebene. Pohle erklärt: „Was zur Zeit in Brandenburg passiert – komplexe Lösungsansätze wie Impfbusse, Impfzentren und noch nie dagewesene und über das Ziel hinausschießende Bestrebungen wie jetzt im Falle des Landkreises Märkisch-Oderland, Ärzte zu Corona Impfungen zu verpflichten – zeugt von Ungeduld und Unkenntnis der verantwortlichen Akteure. Aus der Not heraus werden die klassischen Lehren und Erkenntnisse der Katastrophen- bzw. Pandemiebekämpfung ignoriert, die da lauten: vorhandene Ressourcen nutzen und sich nicht verzetteln, sondern sich konzentriert mit aller Kraft den effektivsten Varianten der Krisenbewältigung zuwenden“.

Anstelle fortgesetzter Einmischung mit unzähligen Chaosentscheidungen sollten die politisch Verantwortlichen endlich den Ärzten die Impfungen und ihrer Kassenärztlichen Vereinigung als organisatorischer Überbau die Logistik überlassen, forderte Pohle. „Das Pilotprojekt mit 50 impfenden Praxen ist erfolgversprechend gestartet und wurde von der KV Brandenburg geräusch- und reibungslos gemanagt. Dessen ungeachtet sollen die mit Millionen von Steuergeldern errichteten Impfzentren weiter am Leben erhalten werden, das ist der Wille der Koalition im Brandenburger Landtag“. Ignoriert werde weiterhin, dass 55 Prozent aller Patienten beim Hausarzt und nur 18 Prozent in einem Impfzentrum geimpft werden wollen. „Wann begreifen die politischen Entscheider, dass sie als Volksvertreter den Interessen der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet sind und nicht umgekehrt?“, fragte Pohle.

An einem Beispiel erklärte der Brandenburger Hartmannbund-Vorsitzende, wie die Impfungen in der Praxis vorgenommen werden könnten. „Ich habe diesen Vorschlag bereits im Gesundheitsausschuss im Landtag präsentiert und ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne. Man nehme ein Ziel, die Versorgung von 50 Praxen mit Impfstoff, und stelle die Mittel dafür bereit: ein oder mehrere Logistikunternehmen mit insgesamt mindestens zwanzig Fahrzeugen, sowie einen Routenplaner. Davon ausgehend kann die Versorgung aller Praxen zum Wochenstart mit jeweils 100 Dosen Impfstoff geplant werden. Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Fahrzeug 50 Praxisadressen beliefert, wären an einem Montag 1.000 Praxen mit je 100 Dosen Vakzin beliefert und am Freitag derselben Woche bis zu 100.000 Brandenburger geimpft!“ Das sei die einzige effiziente Antwort auf die Bedrohung durch das Coronavirus und seiner Mutanten. Stattdessen gebe es ein Impfkabinett und bereits jetzt vier Säulen der Coronaverimpfung mit dem Resultat völliger Zersplitterung der Ressourcen und dem Gefühl, dass die Vakzinierung einem Lottospiel gleichkomme. Dazu kämen überlastete Telefonnummern, Anschreiben, die keiner liest, kilometerlange Wege, die keiner fahren will und zunehmende Erschöpfung aller Beteiligten. Dies könne nur zum zusätzlichen Verdruss und zur weiteren Verzögerung der Vakzinierung der Bevölkerung beitragen.

„Somit ergeht der nochmalige Appell an die Politik, den Bürgerinnen und Bürgern zuzuhören und den grundversorgenden Ärzten flächendeckend Impfungen zu erlauben. Dass die Vertragsärzte und ihre Organisation zur adäquaten Umsetzung fähig sind, wenn die Politik es zulassen würde, hat sie bereits im Rahmen des Modellprojekts unter Beweis gestellt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Virus!“, sagte Pohle abschließend.