Appell von Spahn an die Ärzteschaft nicht hilfreich

In den vergangenen Tagen hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Ärzteschaft wiederholt aufgefordert, sich impfen zu lassen. So äußerte Spahn gegenüber der Rheinischen Post, dass dies ein Gebot der Vernunft und Solidarität sei.

Hieran übt der Vorsitzende des Thüringer Hartmannbundes Dr. Jörg Müller in einer aktuellen Stellungnahme Kritik und bezeichnete diese Äußerungen als nicht hilfreich und in doppelter Hinsicht unverständlich. „Erstens sehe ich keine Anzeichen, dass die überwiegende Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte sich einer Impfung verweigern würde – ganz im Gegenteil sind in der Ärzteschaft bisher überhaupt nur wenige derartige Fälle bekannt. Zweitens würden wir uns liebend gerne impfen lassen, nur zählen wir niedergelassenen Ärzte nicht zur Gruppe, die mit höchster Priorität geimpft werden soll. Wenn ich wüsste wo, würden ich und auch mein gesamtes Praxispersonal sich am liebsten noch heute impfen lassen“, so Müller weiter. „In diesem Zusammenhang scheint es mir darüber hinaus auch nicht ganz glücklich, wenn einerseits auf die Dringlichkeit der Impfung verwiesen wird, da wie es heißt jeder Tag zähle und im selben Atemzug gesagt wird, dass man sich gedulden muss.“ Dass solche Aussagen bei den Menschen vor allem eine gewisse Ratlosigkeit verursachen, komme den Urhebern offenbar nicht in den Sinn.

Auch die Thüringer Landesregierung muss sich Kritik des Hartmannbund-Landesvorsitzenden gefallen lassen. „Ich habe volles Verständnis, dass angesichts des Tempos, mit dem Impfungen organisiert werden mussten, Fehler passieren können. Wenn jedoch in wenigen Tagen in Thüringen erst die Website zur Anmeldung von Impfungen und dann die entsprechende Telefon-Hotline offline gehen, verursacht das schon ein gehöriges Stirnrunzeln.“ Auch in der allgemeinen Organisation sei sicher noch etwas Luft nach oben: „Aus täglich sehr vielen persönlichen Gesprächen mit möglichen Impfpatienten weiß ich, dass die meisten Patienten nicht einmal wissen, wie sie sich einen Termin zur Impfung besorgen können. Hier wäre sicherlich eine Infokampagne hilfreich“, machte der Geraer Augenarzt klar.

Abschließend fand Müller noch deutliche Worte bezüglich der bisherigen Strategie von Bund und Ländern zum Schutz der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen. „Die Verantwortlichen auf nationaler und regionaler Ebene müssen sich schon die Frage gefallen lassen, ob der Lockdown wirklich alternativlos gewesen ist, wie stets behauptet wird. Insbesondere wird zu erklären sein, ob neben der Impfkampagne andere wirksame Lösungen zum Schutz der Risikogruppen ernst genug genommen worden sind.“ Der sogenannte Tübinger Weg mit seinen Einkaufs-Zeitfenstern speziell für Risikogruppen, Anrufsammeltaxis für Senioren zum Schutz vor Ansteckung im ÖPNV oder einer Teststrategie, die Risikogruppen wirklich wirksam schützt sei der beste Beleg dafür, dass es doch funktionierende Alternativen gebe. Auch der Vorschlag des Hartmannbund-Bundesvorsitzenden Klaus Reinhardt, spezielle Senioren-Terminslots für öffentliche Einrichtungen einzuführen, sei überlegenswert, so Müller abschließend.