Müller: Richtige Forderung, aber ohne Druckmittel nur Beruhigungspille

In einer am Mittwoch beschlossenen Resolution fordert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen für die Vereinbarungen des Orientierungspunktwertes für das nächste Jahr mehr als den vollen Inflationsausgleich. Der Vorsitzende des Thüringer Hartmannbundes, Dr. Jörg Müller, begrüßt die Forderung, stellt jedoch zugleich klar, dass diese KV-Resolution aus seiner Sicht leider nur „heiße Luft“ sei.

„Selbstverständlich müssen Ärztinnen und Ärzte den vollen Ausgleich für die gestiegenen Kosten inklusive des Personals bekommen. Hier stehen Kassen und Politik in der klaren Verantwortung, um dem Praxissterben ein Ende zu setzen und auch endlich wieder ein Signal an die junge Ärztegeneration zu senden, dass das Modell Vertragsarztpraxis Zukunft hat“, äußert sich Müller. So richtig diese Forderung sei, so klar stehe auch fest, dass diese das Papier nicht wert sei, auf dem sie geschrieben wurde. „Die KV weist – vermutlich unbewusst – in ihrem Schreiben selbst auf den Unterschied hin, indem sie das Beispiel unserer Kolleginnen und Kollegen in kommunalen Klinken erwähnt, die satte Tarifsteigerungen durchgesetzt haben. Der Grund für diesen Erfolg liegt auf der Hand: die gewerkschaftlich organisierte Ärzteschaft hat Tarifsteigerungen durch Druckmittel wie Warnstreiks erkämpft, der Kampf der KV als Vertretung der niedergelassenen Ärzteschaft hingegen erfolgt vom gemütlichen Bürostuhl aus. Das Wort ‚satt‘ mutet in diesem Zusammenhang übrigens doch etwas nach Neiddebatte an, was deplatziert ist. Am Streit der Ärzte für ihre ureigenen Interessen gibt es nichts anrüchiges, das gilt es nüchtern zu konstatieren“, macht der Geraer Augenarzt in diesem Zusammenhang deutlich.

Weiter stelle die KV fest, dass Fachangestellte aus den Honoraren der Kassen nicht angemessen bezahlt werden können. „Hierzu kann man nur sagen, dass diese Entwicklung nicht über Nacht gekommen ist, sondern seit Jahren anhält. Nur wurde sie eben in der Vergangenheit, anders als jetzt, kaum offensiv thematisiert. Hier können sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die KVen und auch die sonstigen ärztlichen Körperschaften leider nicht ganz aus der Verantwortung stehlen, denn sie haben diese Entwicklung viel zu lange toleriert oder zumindest stillschweigend hingenommen“, so Müller weiter.

Des Weiteren büße die etwas unvermittelt daherkommende Forderung einer Kehrtwende der Politik und Kassen hin zu einer echten, auch finanziellen Wertschätzung der Vertragsärzteschaft doch etwas an Glaubwürdigkeit ein. „Die Art und Weise, wie diese Akteure mit der Vertragsärzteschaft umgehen, hält seit nunmehr fast drei Jahrzehnten an, doch die KBV wie auch die KVen haben dem außer Resolutionen und Forderungen nie wirklich etwas entgegengesetzt. Wie auch? Sie sind in der Falle der Körperschaften öffentlichen Rechts gefangen! Das heißt sie können teilweise gar nicht anders, als wie der Erfüllungsgehilfe und verlängerte Arm der Politik zu agieren. Etwa, wenn sie ordnungspolitische Vorgaben umsetzen, die den Interessen ihrer zahlenden Mitglieder entgegenlaufen“, findet der Thüringer Hartmannbund-Vorsitzende.

Last but not least beklage die KV das wirtschaftliche und personelle Austrocknen der Praxen als Konsequenz der fortgesetzten Ignoranz durch Kassen und Politik. „Genau besehen handelt es sich hierbei offenbar weniger um Ignoranz, als um einen festen Entschluss der Politik. Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang das Diskussionspapier der Forschungsgruppe Public Health im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung aus der Feder von Dr. Michael Noweski mit dem Titel ‚Der unvollendete Korporatismus. Staatliche Steuerungsfähigkeit im ambulanten Sektor des deutschen Gesundheitswesens‘, deren Lektüre ich den Kolleginnen und Kollegen der Thüringer KV-Vertreterversammlung nur wärmstens ans Herz legen kann“, äußert sich Müller abschließend.