Zur Diskussion der oben formulierten Frage luden die Hartmannbund Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am Samstag nach Halberstadt zum Regionalen Dialog mit Akteuren aus Politik, Gesundheitswesen und Ärzteschaft sowie Medizinstudierenden. Die Resonanz war groß, und es wurde vor vollen Rängen in der traditionsreichen Villa Heine intensiv diskutiert über die Dauerbrenner Ärztemangel, intersektorale Versorgung, Digitalisierung – und vieles mehr.
Zunächst war es an Dr. Christina Willer aus dem Vorstand des gastgebenden Hartmannbund Landesverbandes Sachsen-Anhalt klar zu machen, was für sie eine Ärztin ausmache: sie möchte für Patienten da sein, heilen und helfen – denn dafür habe sie Medizin studiert, wie Willer deutlich machte. Leider würden Anspruch und Realität jedoch arg auseinander klaffen und in Klinik und Praxis müssten sich Ärztinnen und Ärzte oft das Denken eines „Homo oeconomicus“ zu eigen machen, das mit dem besten Handeln im Sinne eines Patienten in Konflikt geraten könne. Etwa wenn im ökonomisch durchgetakteten Klinikalltag ein ungeplant auftauchender Patient schnell als „Störfaktor“ begriffen werden kann und in diesem Fall eine optimale Versorgung nur mit großen Mühen – wenn überhaupt – möglich sei. Willer machte deutlich, dass Ärztinnen und Ärzte nicht müde werden dürfen, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, wobei freien Verbänden wie dem Hartmannbund eine wichtige Funktion als Korrektiv zukomme. An die Adresse der Politik gerichtet forderte Willer eindringlich eine Reform der Krankenhausfinanzierung im Sinne einer Abkehr vom DRG-System, mit dem Ziel, den systembedingten Erlösdruck zu mindern und dadurch auch die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Axel Wiedemann, Geschäftsführer der Barmer Sachsen-Anhalt, äußerte im zweiten Impuls die These, dass Ärztinnen und Ärzte angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs der Bevölkerung und der zurückgehenden ärztlichen Arbeitszeit in Zukunft keine nichtärztlichen Tätigkeiten mehr durchführen würden. Der scheinbare Widerspruch zwischen dem überall spürbaren Ärztemangel und der offiziell immer weiter steigenden Zahl der aktiven Ärztinnen und Ärzte wurde anschließend durch anschauliche Schilderungen von Klinikärztinnen aufgelöst. So müssten etwa zeitaufwendige Telefonate bezüglich freier Kapazitäten zum Verlegen eines Patienten beispielsweise in ein Krankenhaus der Maximalversorgung geführt werden oder nicht erinnerte Medikamente beim Hausarzt erfragt werden. Diese Tätigkeiten könnten zwar in der Theorie auch von nichtärztlichen Assistenzberufen erledigt werden, letztere seien jedoch ebenfalls knapp bemessen.
An Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege in der Verbraucherzentrale Bundesverband, war es, die Sicht der Patientinnen und Patienten wiederzugeben. Er machte deutlich, wie die Qualität der ärztlichen Kommunikation den Genesungsprozess und Behandlungserfolg beeinflusst. Erschrocken zeigte er sich über die geringe Zeit, die Ärztinnen und Ärzteangesichts bürokratischer Anforderungen tatsächlich für die Patientenversorgung aufwenden können und zitierte Zahlen einer Hartmannbund-Umfrage unter Assistenzärzten. Weiter mahnte Moormann eine zurückhaltende Verwendung von nicht medizinisch notwendigen IGeL-Leistungen an. Letzterer Punkt, veranschaulicht am Beispiel der Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Erkennung, blieb erwartungsgemäß nicht unwidersprochen.
Fazit der vom Vorsitzenden des gastgebenden Hartmannbund Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Dipl.-Med. Bruno Jung, moderierten Diskussion war, dass die Ärzteschaft Standesorganisationen übergreifend und auch Seite an Seite mit nichtärztlichen Akteuren der gemeinsamen Selbstverwaltung an einem Strang ziehen und für eine bessere Versorgung kämpfen müsse. Sonst könnten die Reformen – die nötig sind, damit Ärztinnen und Ärzte wieder Zeit zur Patientenversorgung haben und den Beruf so ausüben können wie sie es von Herzen wollen – nicht gelingen. Die Ursache der Probleme liege größtenteils an der Finanzierung, daher müsse diese auf den Prüfstand, dies gelte sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Die Digitalisierung könne die Transformation unterstützen, sie müsse jedoch gleichermaßen für die medizinische Versorgung sinnvoll sein als auch die Ärzteschaft sowie Patientinnen und Patienten mitnehmen. Gleichermaßen wichtig sei es jedoch, sich den unverstellten Blick zu bewahren, den Medizinerinnen und Mediziner als Studierende oder zu Beginn der ärztlichen Tätigkeit noch haben. Ärztinnen und Ärzte dürften sich nicht vom System desillusionieren lassen. Wie dies gelinge, wurde vergangenen Oktober in Gera ausführlich behandelt, schlug Jung den Bogen zum letzten Regionalen Dialog des Hartmannbundes.