Ist ein zur Weiterbildung befugter Arzt nur zeitweilig in der Weiterbildungsstätte anwesend, kann dem Weiterbildungsassistenten auch nur eine anteilige Zeit als Weiterbildungszeit anerkannt werden. Nach der Weiterbildungsordnung (WBO) sei die Weiterbildung grundsätzlich ganztägig durchführen. Eine telefonische Erreichbarkeit bzw. eine schnelle Herbeirufbarkeit seien für eine entsprechende Anerkennung nicht ausreichend, begründete der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München seine Entscheidung.
Im streitgegenständlichen Fall war die betroffene Assistenzärztin ganztägig an einem Klinikum tätig, wohingegen ihr Weiterbilder lediglich 13 Wochenstunden an der Weiterbildungsstätte anwesend war. Bei Beantragung der Weiterbildungsbefugnis an mehreren Weiterbildungsstätten hatte der Weiterbilder angegeben, wöchentlich 42 Stunden in seiner Praxis und 13 Stunden im Klinikum zu arbeiten. Ihm wurde daraufhin eine 24-monatige Weiterbildungsbefugnis für beide Weiterbildungsstätten mit der Maßgabe erteilt, dass die Befugnis für Praxis und Klinikum gelte, jedoch sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung an den beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter seiner persönlichen Anleitung erfolge. Es wurde darauf hingewiesen, dass Assistenzärzte über diese Nebenbestimmung in Kenntnis zu setzen seien. Auch der Webseite der zuständigen Ärztekammer (ÄK) war zu entnehmen, dass die Weiterbildungsbefugnis nur mit der genannten Nebenbestimmung gilt.
Nach Beendigung der Tätigkeit wurde dem Antrag der Assistenzärztin auf Anerkennung ihrer 22 abgeleisteten Monate als Weiterbildungszeit seitens der zuständigen ÄK nicht stattgegeben. Es könnten nur 7,48 Monate angerechnet werden, sodass für die erforderliche 60-monatige Weiterbildung 14,52 Monate fehlten. Die Anrechnung entspreche dem Anteil von 13 Stunden pro Woche, die der Weiterbilder im Rahmen seines Antrags auf Weiterbildungsbefugnis als Tätigkeit im Klinikum angegeben habe.
Im laufenden Verfahren erklärte der Weiterbilder u.a., er sei deutlich mehr als die in seinem Antrag angegebenen 13 Stunden im Klinikum anwesend gewesen. Er konnte aber keine entsprechenden Arbeitsverträge vorlegen. Er habe täglich zwischen 8 Uhr und 11 Uhr jeden einzelnen Patienten mit seinen Assistenten erörtert. Die Praxis sei nicht weit vom Klinikum entfernt und eine Anwesenheit binnen weniger Minuten sei möglich gewesen. Jede stationäre Neuaufnahme sei zeitnah persönlich begutachtet und mit der Weiterbildungsassistentin besprochen worden. Es habe eine tägliche Abendvisite gegeben. In der Zwischenzeit sei er telefonisch immer erreichbar gewesen. Zudem sei er später freitags ganztägig in der Praxis vertreten worden und nur in der Klinik gewesen. Nach einer bei der Akte befindlichen E-Mail der Personalabteilung des Klinikums stand der Weiterbilder jedoch mit 32,50%, also 13 Stunden wöchentlich zur Verfügung.
Widerspruch und Klage der Assistenzärztin blieben erfolglos. Der VGH München bestätigte die Entscheidung der ÄK, der Ärztin nur rund ein Drittel der Weiterbildungszeit anzuerkennen und begründete dies mit dem Wortlaut der Weiterbildungsordnung (WBO). Nach der ab dem Jahr 2015 geltenden Fassung der WBO müsse der weiterbildende Arzt die Weiterbildung grundsätzlich ganztägig durchführen. Eine telefonische Erreichbarkeit bzw. eine schnelle Herbeirufbarkeit seien gerade nicht ausreichend. Die Ärztin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Fazit: Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass sich Weiterbildungsassistenten noch vor Aufnahme ihrer Tätigkeit über das Vorhandensein einer hinreichenden Weiterbildungsbefugnis Ihres Ausbilders informieren. Die Rechtsabteilung des Hartmannbundes weist im Rahmen Ihrer Beratungstätigkeit sämtliche Ärztinnen und Ärzte stets ausdrücklich darauf hin. Denn eine unvollständige Anerkennung tatsächlich abgeleisteter ärztlicher Tätigkeit ist äußerst ärgerlich, verzögert die Facharztweiterbildung und führt damit nicht zuletzt zu Einkommensnachteilen. Auch ein Verlust von Fördermitteln droht für die aberkannte Zeit. Ein Blick auf die Webseite der zuständigen ÄK und damit die Ausgestaltung der Weiterbildungsbefugnisse sollte zum Standard werden, noch bevor konkrete vertragliche Vereinbarungen eingegangen werden. Aber auch im Laufe der Weiterbildung sollten Assistenzärzte stutzig werden, wenn sie den Eindruck haben, nicht hinreichend angeleitet und geführt zu werden. Wie zukünftig mit der Thematik umgegangen wird, bleibt auch deshalb spannend, weil der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht, dass künftig pro Weiterbilder zwei Assistenten weitergebildet werden dürfen.
VGH München, Beschluss vom 19.03.2025 (Az.: 21 ZB 23.2357)