Abrechnungsregeln müssen vor Quartalsbeginn feststehen

Eine grundlegende Änderung der Abrechnungsregeln nach Quartalsbeginn darf nicht zu einer rückwirkenden Korrektur der punktzahlmäßigen Bewertungen von Leistungen für das bereits laufende Quartal führen. Das Bundessozialgericht (BSG) führte hierzu aus, dass eben diese grundlegenden Änderungen einer transparenten Veröffentlichung noch vor Quartalsbeginn bedürften.
Im zugrundeliegenden Fall bestand Streit zwischen einem MVZ für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie und der zuständigen KV über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung eines Honorarbescheids für das 4. Quartal 2009 in Höhe von 59 159,10 Euro hinsichtlich der Gebührenordnungsposition (GOP) 88740 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Für die Abrechnung des laboratoriumsmedizinischen Nachweises des Erregers der Schweineinfluenza wurde zu Mitte August 2009 die GOP 88740 in den EBM eingefügt. Diese GOP sollte bis Ende 2010 abrechenbar sein und wurde mit 23,10 Euro (inklusive Transportkosten) bewertet. Anfang Oktober beschlossen die Arbeitsgemeinschaft Ärzte/Krankenkassen und gleichlautend die Partner des Bundesmantelvertrages eine Ergänzung der Leistungslegende dieser GOP um den Zusatz „einmal am Behandlungstag“, die erst Anfang Dezember 2009 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde. Im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung schloss die KV die mehrfache Abrechnung der GOP 88740 an einem Behandlungstag aus und berief sich darauf, dass diese GOP mit Wirkung ab 1.10.2009 den Zusatz „einmal am Behandlungstag“ enthalte. Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen das MVZ u. a. geltend gemacht hatte, aufgrund der damaligen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sei anerkannt gewesen, dass bei Verdacht auf Schweinegrippe für eine sichere Diagnose zwei Abstriche – aus Rachen und Nase – untersucht werden müssten, blieben erfolglos. Das LSG hatte ausgeführt, eine zweimalige Abrechnung der GOP am Behandlungstag sei bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht möglich und bei der Änderung der Abrechnungsregeln handele es sich nicht um eine unzulässige Rückwirkung. In honorarrechtlichen Angelegenheiten liege ein abgeschlossener Sachverhalt erst dann vor, wenn die Honorarabrechnung für das streitbefangene Quartal zum Zeitpunkt der Änderung bereits vorgelegen habe. Hier sei von einer unechten Rückwirkung auszugehen, weil die Einschränkung der Abrechenbarkeit noch vor der Abrechnung für das 4. Quartal 2009 erfolgt sei. Die Klägerin habe auch nicht auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage vertrauen dürfen. Ausreichende Gemeinwohlgründe bestünden in der Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Das MVZ hingegen legte Revision mit der Begründung ein, dass die strittige Einschränkung „einmal am Behandlungstag“ erst mit Veröffentlichung der Beschlüsse am Anfang Dezember 2009 im Deutschen Ärzteblatt habe Wirkung entfalten können. Es liege eine echte Rückwirkung vor, die nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht oder nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des einzelnen Arztes gerechtfertigt werden könne. Da es sich bei der Infektion um eine die Gesundheit der gesamten Bevölkerung betreffende Erkrankung gehandelt habe, hätten finanzielle Gesichtspunkte zurückzutreten.
Dieser Argumentation folgte das BSG im Kern. Die KV sei nicht berechtigt gewesen, den zweifachen Ansatz der GOP 88740 des EBM am selben Behandlungstag zu berichtigen, wenn das MVZ desselben Patienten auf das Virus der „Schweineinfluenza“ mehrfach untersucht hat. Die Beschränkung der Berechnungsfähigkeit einer Leistung im EBM auf „einmal am Behandlungstag“ stelle sich grundsätzlich als eine rückwirkende Korrektur einer GOP dar und sei nicht rechtmäßig. Eine zweifache Abrechnung der GOP 88740 EBM komme allerdings nur in Betracht, wenn die Abstriche getrennt und unter Hinweis auf die Entnahmestelle (Nase oder Rachen) dem Labor zugesandt worden seien. Dann stelle die Untersuchung beider Präparate sich als zweimalige Erbringung des Nukleinsäurenachweises der „neuen“ Schweinegrippe dar, die bis zur Ergänzung der Legende auch dann zweimal abgerechnet werden konnten, wenn zwei getrennte und für sich aussagekräftige Untersuchungen durchgeführt worden sind.

Fazit: Bei grundlegenden EBM-Änderungen nach Quartalsbeginn müssen Vertragsärztinnen und -ärzte für das betreffende Quartal künftig weniger sachlich-rechnerische Berichtigungen befürchten. Da das BSG stets von „grundlegenden Änderungen“ spricht (im streitgegenständlichen Fall Beschränkung auf „einmal am Tag“), werden vermutlich kleinere Anpassungen oder Korrekturen weiterhin nicht erfasst sein. Da das BSG lediglich eine „transparente Veröffentlichungen“ der Änderungen vor Quartalsbeginn verlangt und -weil im streitgegenständlichen Fall nicht relevant- sich nicht dazu äußerte, ob diese Vorgabe bereits durch die Online-Bekanntgabe der KV erfüllt sei, gilt es nach wie vor, sämtliche Bekanntmachungen der KV für die eigene Fachgruppe gründlich zu lesen und sich nicht auf die Veröffentlichung im Ärzteblatt zu verlassen.

BSG, Urteil vom 26.06.2019 (Az.: B 6 KA 8/18 R)