Gehaltsnachzahlungen können Elterngeld erhöhen

Gehaltsnachzahlungen können bei der Bemessung des Elterngelds berücksichtigt werden, entschied der 10. Senat des Bundessozialgerichts (BSG). Nachgezahlter laufender Arbeitslohn, den ein Elterngeldberechtigter außerhalb des für die Bemessung des Elterngelds maßgeblichen Bemessungszeitraumes (12 Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes) erarbeitet hat, ist der Bemessung des Elterngeldes zugrunde zu legen, wenn er im Bemessungszeitraum zugeflossen ist.

Im streitgegenständlichen Fall ging es um eine solche Gehaltsnachzahlung, die vor dem Bemessungszeitraum erarbeitet, aber erst im Bemessungszeitraum ausgezahlt wurde und die der beklagte Landkreis bei der Berechnung des Elterngelds ausgeklammert hatte. Die Kasseler Richter führten in ihrem Urteil aus, dass entscheidend sei, welches Einkommen dem Berechtigte im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen ist. Dies folge aus der gesetzlichen Neuregelung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zum 18. September 2012. Über das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs erfolgte eine Änderung des § 2 Abs 1 BEEG, wonach bei der Bemessung des Elterngelds allein das Einkommen entscheidend sei, das der Berechtigte „im Bemessungszeitraum … hat“. Nicht mehr entscheidend sei, wann der nachgezahlte laufende Arbeitslohn vom Elterngeldberechtigten „erarbeitet“ worden ist. Bei nachträglichem Zufluss von im Bemessungszeitraum „erarbeiteten“ laufenden Arbeitslohn würde das vom Senat (u.a. im Urteil vom 30.9.2010 , Az.:B 10 EG 19/09 R) zur Vorgängervorschrift entwickelte modifizierte Zuflussprinzip keine Anwendung mehr finden.

Fazit:
Die Frage, welche Zahlungen des Arbeitgebers im Bemessungszeitraum auf die Höhe des Elterngeldes angerechnet werden (können), ist von hoher praktischer Relevanz für alle angestellte Ärztinnen und Ärzte in Klinik, Praxis und MVZ, aber auch für Ärztinnen und Ärzte in der Arbeitgeberrolle gegenüber angestellten Kolleginnen und Kollegen oder Medizinischen Fachangestellten. Es ist daher wichtig zu wissen, dass das BSG von seinem in langjähriger Rechtsprechung entwickelten so genannten „modifizierten Zuflussprinzip“ Abstand genommen hat und nunmehr sämtlichen bereits erarbeiteten Arbeitslohn unabhängig vom Bemessungszeitraum zur Anrechnung bringt. Beachtet werden sollte aber auch, dass es in der streitgegenständlichen Entscheidung um den reinen Arbeitslohn ging. Taggleich verneinte das BSG in zwei weiteren Entscheidungen die Berücksichtigung so genannter „sonstiger Bezüge“ bei der Berechnung des Elterngeldes, welche zwar ebenfalls mit einer Gehaltsnachzahlung zugeflossen waren, aber zu den lohnsteuerrechtlich ausgeschlossenen sonstigen Bezügen zählten.
BSG, Urteil vom 27.06.2019 (Az.: B 10 EG 1/18 R)