Kostenübernahme fiktiv genehmigter und im Ausland beschaffter Leistungen

Entscheidet eine Krankenkasse nicht zeitgerecht über einen Antrag auf Kostenübernahme ärztlicher Leistungen und lehnt sie es ab, dem Versicherten die deswegen fiktiv genehmigte Leistung als Naturalleistung zur Verfügung zu stellen, hat sie dem Versicherten die hierdurch entstandenen Kosten zu erstatten, auch wenn er sich eine entsprechende Leistung im Ausland selbst beschafft.

Dies entschied der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für einen Fall, in dem ein Versicherter bei seiner Kasse beantragte, ihn nach massiver Gewichtsabnahme mit einer Hautstraffungsoperation an Brust und Bauch zu versorgen. Die Kasse entschied nicht zeitgerecht und verweigerte die Leistung. Der Versicherte ließ sich daraufhin privat in einer Klinik in der Türkei operieren und zahlte hierfür 4200 Euro. Das Sozialgericht Gießen war in erster Instanz der Ansicht, der Anspruch des Versicherten habe während des Aufenthaltes in der Türkei geruht und wies die Klage ab. Und auch das Hessische Landessozialgericht hatte die Berufung des Versicherten zurückgewiesen.

Das BSG hingegen war der Auffassung, der Versicherte durfte sich die beantragte Operation privatärztlich selbst verschaffen, weil die beklagte Krankenkasse unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt habe. Dabei sei ein Versicherter weder verpflichtet, sich die genehmigte Leistung lediglich im Inland zu verschaffen noch bei einer Selbstverschaffung im Ausland die Bedingungen einer Auslandsversorgung zu Lasten der GKV einzuhalten. Es fehle bei einer rechtswidrigen Leistungsablehnung ein innerer Grund, den Kreis der Leistungserbringer entsprechend einzuschränken. Auch im Ausland praktizierende Ärzte unterlägen Sorgfalts- und gegebenenfalls Schadensersatzpflichten und böten grundsätzlich die Gewähr für eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung.

Fazit: Bereits vor knapp einem Jahr nahm das BSG die Krankenkassen in Sachen Genehmigung von Leistungsanträgen an die kurze Leine. So entschied das BSG Ende 2017, dass Krankenkassen -wie bereits gesetzlich vorgesehen- spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen über die Leistungsanträge ihrer Versicherten entscheiden müssten, weil ansonsten eine fingierte Genehmigung gelte (Az.:B 1 KR 15/17 R, B 1 KR 24/17 R). Diese gezielte Verbesserung von Patientenrechten wird durch die genannte Entscheidung nunmehr ergänzt. Ärztinnen und Ärzte können ihre Patienten somit nicht nur darüber informieren, dass nach nicht zeitgerechter Bewilligung und ohne konkrete aufschiebende Nachfragen seitens der Kassen, von einer Übernahme der Behandlungskosten ausgegangen werden kann, sondern auch darüber, dass dies selbst für eine im Ausland beschaffte Leistung gilt.

BSG, Urteil vom 11.09.2018 (Az.: B 1 KR 1/18 R)