Verordnung ohne Leistung ist Untreue

Vertragsärzte, die Leistungen in dem Wissen verordnen, dass sie gar nicht erbracht werden, machen sich der Untreue schuldig. Sie unterliegen der „Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen“. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. In dem verhandelten Fall bestätigten die Richter damit eine einjährige Bewährungsstrafe gegen einen Chirurgen aus Sachsen-Anhalt, der mit falschen Verordnungen einen Betrug von Krankenkassen um 50.000 Euro ermöglichte. Beihilfe zum Betrug konnten die Richter nicht erkennen.

Der Chirurg ist als Vertragsarzt zugelassen und kooperiert seit 1999 mit einem Betreiber von drei regionalen Gesundheitszentren, die unter anderem physiotherapeutische und krankengymnastische Leistungen anbieten. Von 2005 bis 2008 verordnete er in 479 Fällen jedoch für Patienten, die er gar nicht untersucht hatte, verschiedene derartige Leistungen. Die Gesundheitszentren rechneten ihrerseits 217 dieser Verordnungen ab – selbstverständlich ohne sie erbracht zu haben. Die damit erschlichene Vergütung behielten sie für sich. Der Vertragsarzt wollte mit seiner Gefälligkeit die Gesundheitszentren unterstützen und somit die Kooperation erhalten.

Das Landgericht Halle hatte den Arzt daraufhin wegen Untreue in 479 Fällen und Beihilfe zum Betrug in 217 Fällen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Dagegen legte der Arzt beim BGH Revision ein. Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Untreue sowie das Strafmaß. Aufgehoben wurde die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug, da es sich hier um mitbestrafte Nachtaten gehandelt habe.

Die Bestätigung der Verurteilung wegen Untreue begründeten die Richter mit der „Vermögensbetreuungspflicht“ der Vertragsärzte. Sie gehöre zu den Hauptpflichten gegenüber den Krankenkassen. „Der Vertragsarzt erklärt mit der Heilmittelverordnung in eigener Verantwortung, dass alle Anspruchsvoraussetzungen für das Heilmittel erfüllt sind“, insbesondere, dass das Heilmittel notwendig und wirtschaftlich ist. Aus dieser „Rechtsmacht zur Konkretisierung des Anspruchs des gesetzlich Versicherten“ ergebe sich die „Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen“. Diese Pflicht habe der Arzt „gravierend“ verletzt. (stp)

Az.: 4 StR 163/16