Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darf ein Mitgliedstaat die Beteiligung reiner Finanzinvestoren am Kapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft verbieten und damit auch die Niederlassungsfreiheit beschränken. Begründet wurde dies grob damit, dass Rechtsanwälte ihren Beruf unabhängig und unter Beachtung ihrer Berufs- und Standespflichten ausüben können müssen. Die Einschränkung des freien Kapitalverkehrs sei insofern ebenfalls gerechtfertigt.
Grundlage des Verfahrens bildete der Rechtsstreit einer Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG gegen die Rechtsanwaltskammer München. Es erging ein Vorlagebeschluss des Bayrischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) an den EuGH wegen erheblicher Bedenken am anwaltlichen Fremdbeteiligungsverbot, verbunden mit der Frage, ob darin eine unzulässige Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten, namentlich der Kapital-, Dienst- und Niederlassungsfreiheit gegeben sei. In Auseinandersetzung mit der Apotheker-Entscheidung des EUGH (Az.: C 171/07 und 172/07) stellte der AGH fest, dass eine vergleichbare Gefahrenlage wie bei den Apotheken nicht bestünde. Die Risiken für die Verbraucher aufgrund der Möglichkeit eines nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs verschreibungspflichtiger Arzneimittel seien mit einer Rechtsberatung nicht vergleichbar. Hier habe es vielmehr der durch die Berufsordnung gebundene Vertreter der Rechtsanwaltsgesellschaft in der Hand, das Verfahren im Interesse seines Mandanten bis zu seinem Ende zu führen. Dies würde strukturell der Tätigkeit eines Arztes entsprechen, der ebenfalls die Behandlung bis zum Eintritt des Behandlungserfolges eigenverantwortlich führe. Ein Bedürfnis, den Betrieb medizinischer Versorgungszentren oder Krankenhäuser durch das Fremdbeteiligungsverbot abzusichern, habe der Gesetzgeber nicht gesehen, obwohl auch die Therapieentscheidung von Ärzten unter erheblichem wirtschaftlichen Druck stünden und durch ökonomische Gesichtspunkte beeinflusst werden könnten.
Der EuGH hat sich weder mit diesen Überlegungen zu Apotheken und Arztpraxen/MVZ noch mit der 3. Vorlagefrage zur Dienstleistungsfreiheit befasst. Im Gegensatz zum Generalanwalt und dem AGH stellten die Richter in Luxemburg die Verhältnismäßigkeit des Fremdkapitalverbotes fest. Für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sei unerlässlich, dass es nicht zu Interessenkonflikten kommt, was insbesondere voraussetze, dass Rechtsanwälte sich in einer Position der -auch finanziellen- Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen und anderen Wirtschaftsteilnehmern befinden. Zudem könne auch das Bestehen etwaiger Verbindungen zwischen einem reinen Finanzinvestor und einem Mandanten das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant in einer Weise beeinflussen, dass ein Konflikt mit Berufs- oder Standesregeln nicht ausgeschlossen werden könne. In Ermangelung einer geltenden Berufs- und Standesregel auf Unionsebene stünde es grundsätzlich jedem Mitgliedstaat frei, die Ausübung dieses Berufs in seinem Hoheitsgebiet zu regeln.
Fazit: Auch wenn der EUGH nicht explizit darauf eingegangen ist, so wird sich die Entscheidung zu den Rechtsanwaltskanzleien sehr wahrscheinlich auf den Umgang mit Fremdinvestoren im (zahn-)ärztlichen Bereich auswirken. Es ist nach dem Apotheken-Urteil nun das zweite dieser Art und Argumentation. Denn Gewinnmaximierungsabsichten von Finanzinvestoren haben auch im Rahmen der (zahn-)ärztlichen Versorgung das Potential, die Organisation und die Tätigkeit von Freiberuflern so zu beeinflussen, dass Berufs- und Standespflichten zu Lasten von Patientinnen und Patienten verletzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob zeitnah entsprechende Reglementierungen auch in die einschlägigen Heilkundegesetze aufgenommen werden. Zumindest ist der oft gebrachte Einwand, eine Reglementierung der Investorenbeteiligung an (Zahn-)Arztpraxen sei verfassungs- oder europarechtswidrig, mit der genannten Entscheidung des EuGH so gut wie entkräftet.
BGH, Urteil vom Urteil vom 19.12.2024 (Az.: C-295/23)