Der 125. Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber in einem Grundsatzbeschluss aufgefordert, endlich Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um der zunehmenden Kommerzialisierung im Gesundheitswesen Einhalt zu gebieten. Ärztliches Handeln müsse vor ökonomisch motivierten Einflussnahmen geschützt sein – auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten, betont der Ärztetag.
Der Beschluss im Wortlaut:
Die Ärzteschaft hat sich immer dazu bekannt, mit den verfügbaren Ressourcen möglichst effizient umzugehen. Ärztinnen und Ärzte wollen aber keine Entscheidungen treffen und auch keine medizinischen Maßnahmen vornehmen, welche aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben erfolgen und dabei das Patientenwohl gefährden und den Patienten Schaden zufügen können. Die Ärzteschaft lehnt alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben ab, welche ärztlich verantwortungsvolles Handeln tangieren und die mit ihrem ärztlich-ethischen Selbstverständnis unvereinbar sind. Die politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, diese ärztliche Grundhaltung auch im Sinne des Schutzes der Patientinnen und Patienten vor sachfremden Einflussnahmen mit konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen zu unterstützen.
Um dem zukünftigen Versorgungsbedarf im stationären Sektor gerecht zu werden und die offenbar gewordenen Fehlanreize des deutschen DRG-Fallpauschalensystems zu beheben, ist eine grundlegende Reform der bisherigen erlösorientierten Krankenhausbetriebsmittelfinanzierung erforderlich. Die Vergütungssystematik darf nicht länger ausschließlich auf wirtschaftliche Effizienz eines Krankenhausbetriebes ausgerichtet sein.
Um diese Entwicklung zu stoppen, muss die Vergütungssystematik vorrangig am Versorgungsbedarf und an angemessenen Vorhaltekosten für Personal, Infrastruktur und Technik ausgerichtet werden.
Im ambulanten haus- und fachärztlichen Bereich häufen sich Übernahmen von Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen durch Fremdinvestoren, z. B. durch sogenannte Private-Equity-Gesellschaften. Aufgrund der vorwiegend renditeorientierten Motivation dieser Fremdinvestoren besteht die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen zugunsten einer kommerziell motivierten Leistungserbringung beeinflusst werden. Zu befürchten ist ferner eine Konzentration von investorenbetriebenen medizinischen Einrichtungen, vor allem in Ballungsräumen – zulasten der Versorgung in ländlichen Gebieten. Zusätzlich zu den bereits mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) umgesetzten Neuregelungen zur Eingrenzung des Einflusses von Fremdkapitalgebern auf die ambulante Versorgung sind weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene erforderlich.
Der 125. Deutsche Ärztetag 2021 betont: Wenn Ärztinnen und Ärzte von Klinik- und Kostenträgern sowie zunehmend auch von kapitalgetriebenen Fremdinvestoren angehalten werden, in rein betriebswirtschaftlichen Dimensionen zu denken und nach kommerziellen Vorgaben zu handeln, geraten sie in einen für sie schwer lösbaren Zielkonflikt. Sie wollen und müssen einerseits ihren berufsethischen Pflichten genügen, andererseits sollen sie aber wirtschaftliche Rentabilitätsziele erreichen, die zum Teil auch durch die Sozialgesetzgebung bedingt sind.
Für den stationären sowie für den ambulanten Bereich sind im Sozialrecht sowie speziell im Zulassungsrecht explizite Regelungen zu verankern, nach denen Träger von Einrichtungen unter Androhung von Sanktionen gewährleisten müssen, dass die bei ihnen tätigen Ärztinnen und Ärzte ihre berufsrechtlichen Vorgaben einhalten können.
(Foto: BAEK/Jürgen Gebhardt)