Ambulanter Bereitschaftsdienst am Ort der Zweigpraxis

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Auferlegung einer um 50 % erhöhten Dienstpflicht eines Arztes aufgrund der Zuordnung auch zu der Bereitschaftsdienstgruppe am Ort seiner Zweigpraxis zusätzlich zu dem bereits am Hauptsitz zu 100 % zu leistenden Bereitschaftsdienst rechtmäßig sei. Dies verneinten die Kasseler Richter und rügten insofern einen Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz. Ärzte mit Zweigpraxen dürften hinsichtlich des Umfangs ihrer Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst nicht anders behandelt werden als Ärzte ohne zusätzlichen Praxisstandort. Zwar stünden die angegriffenen Bescheide im Einklang mit der geltenden Bereitschaftsdienstordnung und auch die Heranziehung von Ärzten zum Dienst am Ort ihrer Zweigpraxis sei -da Zweigpraxen Teil der vertragsärztlichen Versorgung sind- grundsätzlich angezeigt. Je stärker ein bestimmter Bezirk tatsächlich durch Zweigpraxen versorgt werde, desto größer könne das Bedürfnis sein, die in diesem Bezirk praktizierenden Ärzte in den Bereitschaftsdient einzubeziehen, auch um eine Überlastung der Ärzte mit Hauptpraxen zu vermeiden. Die Auferlegung einer um 50 % erhöhten Dienstpflicht zusätzlich zu der bereits vollständigen Einteilung sei jedoch verfassungswidrig. Der Umfang der Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst von Ärztinnen und Ärzten mit Zweigpraxen dürfe den Umfang der Verpflichtung ihrer Kolleginnen und Kollegen ohne Zweigpraxis insgesamt nicht übersteigen. Die Unterscheidung danach, ob der Standort der Zweigpraxis im selben Bereitschaftsdienstbezirk wie die Hauptpraxis gelegen ist, sei jedenfalls, soweit es um den Umfang der Verpflichtung und nicht nur darum gehe, wo der Dienst zu verrichten ist, nicht zu rechtfertigen.

Fazit: Auch wenn zu diesem Urteil derzeit erst der Terminsbericht des BSG veröffentlicht wurde, heißt es schon jetzt für einige KVen, dass die ihre Bereitschaftsdienstordnungen entsprechend anpassen sollten. Alle Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund des Betriebs einer Zweigpraxis umfangreicher als die Kolleginnen und Kollegen ohne Zweigpraxis zum ambulanten Bereitschaftsdienst eingeteilt wurden, sollten nunmehr dagegen vorgehen können. Spannend bleibt die Frage, wie sich KVen im Lichte dieser Rechtsprechung über die Bereitschaftsdienstbezirksgrenzen hinaus untereinander ins Benehmen setzen werden, wenn es gilt, Bereitschaftsdienstverpflichtungen einer Ärztin oder eines Arztes sinnvoll und nachvollziehbar und wiederum nach den Regeln der Gleichbehandlung mit den Ärztinnen und Ärzten vor Ort untereinander „aufzuteilen“.
BSG, Urteil vom 13.02.1019 (Az.: B 6 KA 51/17 R)