Vertragsarztsitze dürfen grundsätzlich nur fachgebietsgleich nachbesetzt und können nicht über den Behelf einer Schwerpunktbezeichnung einem anderen Fachgebiet zugeschlagen werden. Das gilt selbst dann, wenn der bislang auf dem Sitz tätige Arzt ausschließlich in diesem Schwerpunkt tätig gewesen war. Das hat der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts entschieden. Im konkreten Fall darf damit ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Berlin zwar einen chirurgischen Arztsitz mit einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nachbesetzen. Dieser darf aber nur unfallchirurgisch tätig werden – denn der Sitz bleibt chirurgisch.
In dem MVZ war bislang ein Chirurg ohne Schwerpunkt nach alter Weiterbildungsordnung (WBO) ausschließlich im Bereich der Unfallchirurgie und des Bewegungsapparats tätig. Für die Besetzung des chirurgischen Sitzes mit einem Orthopäden mit Schwerpunkt Unfallchirurgie nach neuer WBO argumentierte es gegenüber dem Zulassungausschuss, dass Chirurgen mit unfallchirurgischem Schwerpunkt nicht mehr ausgebildet würden und daher die unfallchirurgische Tätigkeit als wesentlicher Faktor für die Neubesetzung gelten müsse. Zudem würde sich an der faktischen Tätigkeit gegenüber dem Vorgänger nichts ändern.
Der Zulassungsausschuss folgte der Argumentation unter der Maßgabe, dass der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie seine Tätigkeit auf die Unfallchirurgie beschränkt. Dagegen ging das MVZ beim Berufungsausschuss mit der Begründung vor, dass eine Beschränkung nur auf die Unfallchirurgie nicht praktikabel sei. Es müssten auch anderweitige Behandlungen des Bewegungsapparates erlaubt sein, zum Beispiel dann, wenn ein Patient, der zunächst wegen eines Unfalls an einem Gelenk behandelt worden sei, später mit Schmerzen im selben Gelenk aufgrund einer Arthrose behandelt werden müsse. Der Berufungsausschuss folgte dem nicht und bestätigte die Entscheidung des Zulassugsausschusses. Er verwies in seiner Begründung zudem darauf, dass ein chirurgischer Vertragsarztsitz generell nicht mit einem Orthopäden neu besetzt werden könne.
Der BSG-Vertragsarztsenat bestätigte nun die Auffassung des Berufungsausschusses und wies die Klage des MVZ damit ab. Grundsätzlich dürfe ein chirurgischer Sitz nur mit einem Chirurgen nachbesetzt werden. Das ergebe sich aus den Nachbesetzungsregeln, die ein Beibehalten der Planungsgruppe auch für MVZ vorsehen. Im zu entscheidenden Fall räumten die Kasseler Richter eine Ausnahmemöglichkeit ein. Zum einen sei dies wegen der Weiterentwicklung des Schwerpunkts notwendig, zum anderen könne man – da nur das MVZ das BSG angerufen habe – hinter die Bewilligung des Zulassungsausschusses nicht mehr zurück. Allerdings gelte es, „ein Ausbluten der für die Versorgung notwendigen Arztgruppe der Chirurgen zu verhindern“. Es könne nicht sein, dass ein MVZ sich einen chirurgischen Sitz kauft und diesen dann in einen orthopädischen Arztsitz umwidmet. (stp)
Az: B 6 KA 40/15 R