BAG: Beweislast für Überstunden trägt Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen der Frage der Abgeltung von Überstunden darzulegen und zu beweisen hat, wann und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat. Neben der konkreten zeitlichen Angabe, wann Überstunden geleistet worden sind, treffe den Arbeitnehmer auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest gebilligt worden seien. Geklagt hatte ein Auslieferungsfahrer auf Abgeltung von 429 Überstunden (ca. 6400 €), von denen im Prozess unklar blieb, ob diese tatsächlich geleistet worden waren. Der Kläger berief sich unter anderem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) aus dem Jahr 2019, das eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber forderte. Dieses Urteil, so die Erfurter Richter, ändere nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung im Überstundenprozess. Die Vorgaben des EUGH dienten dem Gesundheitsschutz und fänden grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung bzw. hätten keine Auswirkungen auf die nach deutschem materiellen und prozessualem Recht entwickelten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast.

Fazit: Da der EUGH im Jahr 2019 entschieden hatte, alle europäischen Mitgliedsstaaten müssen die Arbeitgeber ihres Landes verpflichten, ein effektives Erfassungssystem von regulärer Arbeitszeit und Mehrarbeit einzuführen (EUGH, Urteil vom 14.05.2019, AZ.: C-55/18; wir berichteten), war die Angst groß, dies könne sich auch auf die Grundsätze der Beweislast u.a. im Überstundenprozess auswirken. Diese Angst ist den Arbeitgebern nun genommen. Dennoch steht Deutschland nach wie vor in der Pflicht, den mittlerweile über drei Jahre alten „Auftrag“ des EUGH, Arbeitgeber zur Einführung eines rechtlich effektiven Arbeitserfassungssystem gesetzlich zu verpflichten, umzusetzen.

BAG, Urteil vom 04.05.2022 (Az.: 5 AZR 359/21)